Krank durch Arbeit – Warum eigentlich?

„Gefangen zwischen Marktdynamik und Guter Arbeit – Wege aus der Burnout-Kultur als unternehmerische Verpflichtung“ – unter diesem Motto stand ein komplett ausgebuchter Fachtag in Hannover, der am 29. Januar gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und der Hannoveraner Organisationsberatung Baumann.Partner veranstaltet wurde.

Krank durch Arbeit – dieses Thema brennt vielen auf den Nägeln“, weiß Carsten Hennig aus Frankfurt am Main, Sprecher der DGSF-Fachgruppe Humane Arbeit und Burnout-Prävention. „Unser Ziel ist es, von der Symptombehandlung auf individueller Ebene wegzukommen und zu zeigen, dass Burnout eine normale Begleiterscheinung unserer heutigen Leistungs- und Erschöpfungskultur ist – gegen die wir gleichwohl etwas unternehmen müssen.“

Dr. PD Karin Siegrist, Medizinsoziologin und Expertin für Public Mental Health beleuchtete in ihrem Vortrag die Zusammenhänge zwischen Burnout und Hierarchie: Zum einen wird die Diagnose Depression bei Führungskräften häufig als Burnout verkleidet, um soziale Stigmatisierungen zu vermeiden. Das ist nicht ungefährlich, weil eine falsch behandelte Depression lebensbedrohliche Folgen haben kann. Zum anderen können Depressionen bei Mitarbeitern durch „Führen ohne Zuhören“, durch mangelnde Fairness und Respektlosigkeit der Führungskräfte ausgelöst werden.

„Um einer Burnout-Kultur entgegenzuwirken sind Unternehmen und Mensch in eine Balance zu bringen“, betonte Willy Graßl, Leiter des Gesundheits- und Sozialmanagements der Flughafen München GmbH (FMG). Trotz aller Störungen von außen komme es immer darauf an, das System Unternehmen als „Menschenladen“ mit all seinen Stärken und Schwächen zu verstehen und zu führen. Dies sei der FMG in den vergangenen Jahren erfolgreich gelungen.

Frank Baumann-Habersack, Inhaber der Systemischen Organisationsberatung Baumann.Partner aus Hannover-Burgdorf brachte die Zusammenhänge zwischen Burnout und einer überholten Vorstellung von Autorität auf den Punkt: „Führungskräfte, die sich in ihren Büros verschanzen, die nicht mit ihren Mitarbeitern sprechen und mit rigiden Kontrollen, mit Belohnung und Bestrafung führen und in ihren Handlungen unberechenbar bleiben, zeigen zwar Macht. Echte Autorität haben sie aber nicht.“ Sie lösten Angst, Druck und Stress aus. Auch so könne man ein Unternehmen zwar führen, aber so führe man Mitarbeiter auch in den Burnout. Nur mit einem neuen Verständnis von Autorität könne eine neue, eine humanere Unternehmenskultur entstehen.

Damit plädierten die Vortragenden gemeinsam für nicht weniger als einen komplett veränderten Umgang miteinander, der von Präsenz, Respekt, Transparenz und Balance geprägt ist. Nicht nur in den Unternehmen, sondern in allen Lebensbereichen. Zugegeben: Das klingt gut. Und das ist ein langer Weg.

(Anne Jacoby)