Steve de Shazer - ein Nachruf

Steve de Shazer 25. Juni 1940 - 11. September 2005-09-24 Steve de Shazer ist am 11.9.2005 für uns alle unerwartet in Wien gestorben. Er landete mit dem Flugzeug aus Kopenhagen zu einem Workshop in Wien, kam dort sofort in ein Krankenhaus, wo er im Beisein seiner Frau Insoo Kim Berg kurz vor Mitternacht starb. In Milwaukee geboren und aufgewachsen, war er Sohn eines Ingenieurs für Elektrotechnik und einer Opernsängerin. Er selbst ließ sich als Musiker ausbilden und spielte mehrere Instrumente, wobei das Saxophon seine Leidenschaft als begeisterter Jazz-Musiker war. Er war ebenso begeisterter Gourmet und Koch, liebte Kochbücher, nutzte viele Gelegenheiten, unterschiedliche Variationen der deutschen Kartoffelsuppe zu kreieren, und braute sein eigenes Bier. Als M.S.S.W. der University of Wisconsin studierte er am Mental Research Institute in Palo Alto Kurztherapie bei John Weakland; die beiden verband eine lebenslange Freundschaft. 1978 gründete er zusammen mit seiner Frau Insoo Kim Berg das Brief Therapy Family Center, BFTC in Milwaukee. Sie gelten als Begründer des Solution Focused Approach und als Pioniere der lösungsfokussierten Kurztherapie und machten das BFTC zum Mekka systemischer und familientherapeutischer Kollegen. Als Therapeut hat Steve de Shazer dem gesamten Feld der Psychotherapie gezeigt, wie einfach die therapeutische Praxis gestaltet werden kann, wenn auf die Lösungen und die Ressourcen der Klienten anstatt auf deren Probleme fokussiert wird. Er hat unterschiedliche Therapieschulen maßgeblich beeinflusst und sie ins neue Jahrtausend begleitet. Sein Credo lautete stets: "Keep it simple." Damit hat er die traditionelle psychotherapeutische Praxis radikal verkehrt: Anstatt mit den Klienten ihre Probleme verstehen zu wollen, fokussierte er mit ihnen auf einfache und elegante Art darauf, woran sie erkennen würden, wenn Lösungen gefunden wären und was sie dann anders machten als gegenwärtig. Er nutzte die Sogwirkung attraktiver Visionen, die im verborgenen Erwartungsraum der Klienten schlummern. Dabei war er ein unnachahmlicher Meister des Minimalismus: "Simple but not easy". Sein unvergessenes "May be" machte ihn zum größten Ermöglicher wundersamer Lösungsideen. Ein "OK" aus seinem Munde fasste alles Gesagte auf eine unausgesprochene Art zusammen und führte Klienten "step by step" würdevoll und mit viel Respekt an ihre Sehnsüchte und eigenen Stärken heran, um gemeinsam Lösungen zu erfinden. Seine fünf grundlegenden Bücher gelten als Meilensteine der Kurztherapie: "Patterns of Brief Therapy", "Keys to Solution in Brief Therapy", "Clues: Investigating Solutions in Brief Therapy", "Putting Difference to Work" und "Words Were Originally Magic". Sämtliche Bücher wurden ins Deutsche übersetzt, insgesamt sind seine Arbeiten und unzähligen Artikel in 14 Sprachen übersetzt. Die Publikation eines letzten Buches "More Than Miracles: The State of The Art of Solution Focused Therapy" konnte er nicht mehr erleben; es wird in den nächsten Wochen bei Haworth Press erscheinen. Neben seinen Schriften verbreitete Steve de Shazer seinen Ansatz vor allem praxisorientiert in hunderten von Seminaren, Workshops und Konferenzbeiträgen in den USA, in Europa von Skandinavien bis Italien und von Spanien bis nach Osteuropa, in Japan, China, Korea und weiteren asiatischen Ländern. In Deutschland stieß Steve de Shazer seit 1985 auf große Resonanz. Wir begegneten ihm bei seinem ersten Deutschlandbesuch in Hamburg und waren von Anbeginn fasziniert von seiner direkten und verbindlichen Art. Wie für viele Kollegen wurde er für uns Mentor, inspirierender Kollege und Freund und er hat unseren Weg der Kurztherapie maßgeblich geformt. 1993 gründete er mit uns europäischen Kollegen die European Brief Therapy Association, EBTA, und wir veranstalteten seitdem in vielen europäischen Ländern internationale Konferenzen miteinander. Steve de Shazer beeindruckte uns alle immer wieder mit seiner unerschütterlichen Konsequenz, seinem gewitzten Humor und seinem philosophischen Sachverstand. An der 10th Anniversary EBTA Confernece im Jahr 2003 in Berlin konnte Steve zum ersten Mal aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen. Danach brauchte er regelmäßige medizinische Betreuung, er musste seine sonst langen Spaziergänge zwischen den Seminaren abkürzen und reduzierte seine Arbeit. Nachdem uns Yvonne Dolan noch Ende August berichtete, dass es ihm seit einigen Wochen wieder besser ginge und sie das neue Buch erfolgreich beendet hätten, waren wir voller Hoffnung und freuten uns auf unsere verabredeten Treffen. In großer Anerkennung und Dankbarkeit wird sein Denken und Handeln nun in unserer Erinnerung und Praxis lebendig bleiben: "It was not too bad." Manfred Vogt, Wolfgang Eberling, Heinrich Dreesen und das NIK-Team Norddeutsches Institut für Kurzzeittherapie, NIK, Bremen