Systemisches Kompetenzspiel

Hochschule Coburg setzt auf systemisches Kompetenzspiel

Planspiele sind im wirtschaftswissenschaftlichen Studium weit verbreitet. In der Ausbildung von Sozialarbeitern sucht man sie dagegen vergebens. Das liegt zum einen an den Ausbildungsinhalten. Denn im Berufsalltag von Sozialarbeitern stehen nicht Zahlen, sondern Menschen im Vordergrund. Zum anderen ist es relativ aufwändig, ein Planspielkonzept zu entwickeln, das den beruflichen Alltag von Sozialarbeitern simuliert. An der Hochschule Coburg ist es gelungen, die Studierenden des letzten Semesters anhand eines systemischen Kompetenzspiels konkret mit den strukturellen und persönlichen Herausforderungen des Berufs hautnah vertraut zu machen.


Das Coburger Institut für systemische Konzepte CISKON entwickelte eigens für die Hochschule das CISKON Kompetenzspiel. „Unsere Recherchen ergaben, dass keine Planspiele am Markt sind, die unsere Ansprüche an eine fundierte Ausbildung erfüllen“, begründet Dekan Prof. Dr. Andreas Aue seinen Anstoß. Dipl.Soz.Päd. Annette Quentin vom CISKON entwickelte gemeinsam mit fünf systemisch arbeitenden Sozialpädagogen ein halbes Jahr lang mehrere umfassende Spielszenarien, die auf realistischen Fallbeispielen beruhen und für jeweils 20 Personen konzipiert sind. Ausgangspunkt ist immer ein Fallbericht aus der Praxis. Die Fälle kommen beispielsweise aus dem Pflegekinderwesen, der Jugendgerichtshilfe bzw. der Arbeit mit an Demenz erkrankten Familienangehörigen.


Das Seminar dauert drei Tage. Jeder Studierende zieht seine Rolle nach dem Zufallsprinzip und hält sie bis zum Schluss durch. Alle Spieler sind mit realistischen Utensilien und einer ausführlichen Rollenbeschreibung ausgestattet. Dazu zählen: Handy zur Terminvereinbarung, Raumpläne, Telefonlisten, die entsprechenden amtlichen und gerichtlichen Beschlüsse usw. Anders als beim normalen Planspiel greift der Spielleiter beim Kompetenzspiel nicht in die Spieldynamik ein. Die Teilnehmer entwickeln in ihren Rollen gemeinsam kreative Wege und erleben die Dynamik des Systems. Sie sind gelichzeitig Teilnehmer und Beobachter eines komplexen Systems und erfahren, wie das eigene Handeln den Gesamtprozess beeinflusst und wirkt. Jedes Spiel nimmt – abhängig vom Verhalten und den Entscheidungen der studentischen Spieler – einen individuellen Verlauf.


„Im Spiel wird nichts nachgespielt, sondern es entsteht eine eigene, neue Realität. Auf diese Weise machen wir die Zusammenhänge transparent“, fasst Institutsleiterin Annette Quentin die Intention des Planspiels zusammen. In der ausführlichen Reflexion werden alle Spieltage gründlich analysiert. Durch die Bereitschaft, die Rollenperspektive zu wechseln, entwickeln die Studierenden der Sozialen Arbeit in diesem systemischen Planspiel eine hohe Sensibilität für komplexe soziale Situationen. Das persönliche Eintauchen der Studierenden in den komplexen Fall fördert zudem das vernetzte, ganzheitliche Denken. Die Studierenden trainieren ihre Reflexionsfähigkeit, das selbstständige Arbeiten und die Methodenkompetenz. Sie lernen aber auch, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen. Insbesondere die umfangreichen Reflexionsphasen zum Abschluss des Kompetenzspiels lösen so manchen Aha-Effekt aus.


Die Studierenden zeigen sich begeistert: „Solche Tage bereichern das Studium.“ Sie stellen fest: „Ich werde viel ins Berufsleben mitnehmen.“ Und sie beurteilen das Kompetenzspiel als eine erfolgreiche Strategie, um Dynamiken und Strukturen in der Wirklichkeit zu erfahren. „Es ist ein Rollenspiel, das jedem Rollenspiel-Muffel Spaß macht.“ Viele Studierende sind zudem der Meinung: „Jeder Sozialpädagoge sollte die in dem Kompetenzspiel vermittelten Erfahrungen machen.“ Ein schöneres Kompliment können die Entwickler und Initiatoren des Kompetenzspiels von den Studierenden der Sozialen Arbeit an der Hochschule Coburg eigentlich nicht bekommen.



Quelle: Informationsdienst Wissenschaft (/idw-online.de/de/news454732)