Sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sicherstellen
Köln, im September 2008
Deutsche
Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) und
Arbeitsgemeinschaft
Systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie e. V. (ASK):
Ambulante sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen und deren Familien sicherstellen
Stellungnahme
von DGSF und ASK zur Kündigung des Vertrages zur sozialpsychiatrischen
Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher (Sozialpsychiatrievereinbarung)
durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Ersatzkassen und viele
Primärkassen
– verfasst
von deren Arbeitskreis/Fachgruppe Systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie (Sprecher:
Dr. med. Filip Caby)
Die Deutsche Gesellschaft für Systemische
Therapie und Familientherapie ist mit knapp 3000 Mitgliedern die größte
Vereinigung von Familientherapeuten und -beratern in Deutschland. Ihr Arbeitskreis
Systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie vereint berufsübergreifend
Mitarbeiter kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken, Tageskliniken und
Praxen. Diese behandeln in ihrem therapeutischen Wirken gemäß ihrem
systemischen Grundsatz nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern beziehen deren
gesamtes Umfeld in die Therapie mit ein.
Wir sind schockiert durch die
Entscheidungen der Ersatzkassen und vieler Primärkassen einerseits und der
kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits, den Vertrag zur
sozialpsychiatrischen Versorgung (SPV) zum Jahresende 2008 zu kündigen.
Damit ist die Versorgung von
psychisch kranken Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien gefährdet.
Bislang konnten Familien mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen sich
mit sehr guten Erfolgsaussichten an die niedergelassenen Kinder- und
Jugendpsychiater oder an die kinder- und jugendpsychiatrischen
Institutsambulanzen wenden. Durch die Streichung der
Sozialpsychiatrievereinbarung zum Ende des Jahres wird es den niedergelassenen
Kinder- und Jugendpsychiatern nicht mehr möglich sein, eigens dafür
eingestellte Mitarbeiter aus dem sozialpädagogischen, psychologischen oder
ergotherapeutischen Feld zu finanzieren. Dadurch wird nicht nur die Qualität
der Arbeit leiden, sondern es können auch deutlich weniger Kinder und
Jugendliche Hilfe erfahren.
Da zeitgleich durch die Kündigung der
Vereinbarung über die Psychiatrischen Institutsambulanzen auch eine
gleichwertige Alternative zur Diskussion gestellt wird, wird es beim
derzeitigen Stand demnächst nicht mehr möglich sein, innerhalb des
Kassensystems eine zeitgemäße kinder- und jugendpsychiatrische Therapie und
Psychotherapie durchzuführen.
Die Entwicklung der Psychotherapie
der letzten 50 Jahre hat gerade in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen
zu äußerst wirksamen Therapiesettings geführt in Form von Familientherapie,
aufsuchender Kinder- und Jugendpsychiatrie, Mehrgenerationentherapien, Multifamilientherapien,
Systemtherapien, Therapien in Schulen, multimodalen Therapiesettings usw.
Beim derzeitigen Stand der
Verhandlungen wäre diese äußerst effiziente, aber auch personalintensive Arbeit
nicht mehr möglich. Das würde unweigerlich ein weiterer Schritt in Richtung
Zwei-Klassen-Medizin bedeuten. Es würde dazu führen, dass die sozial
schwächeren Kinder und Jugendlichen nicht mehr in den Genuss einer Systemischen
Therapie/Familientherapie kämen.
Die erfreulichen Bemühungen der
Politik, eine bessere gesundheitliche, schul- und familienpädagogische
Versorgung unserer Kinder und Jugendlichen zu etablieren, würden damit zu
Nichte gemacht. Je nach Quelle erscheinen derzeit bis zu 25 Prozent unserer
Kinder und Jugendlichen aus psychiatrischer Sicht als therapiebedürftig. Sie leiden
unter Störungsbildern wie Aufmerksamkeitsstörungen, emotionale Störungen,
affektive Störungen, psychosomatische Störungen, Tic-Erkrankungen, die häufig
auch entstanden sind durch den Versuch, eine Lösung für Konflikte in deren Umfeld
zu finden. Da das Krankheitsbild wiederum das Umfeld beeinflusst, führt eine
Therapie, die sich nur auf „erkrankte“ Kinder und Jugendliche konzentriert, in
den seltensten Fällen zu einer Lösung, welche eine gelungene Reintegration in
Familie oder Schule ermöglicht. Damit die erzielten Fortschritte der
Einzeltherapie bei Kindern und Jugendlichen Bestand haben, muss zwingend mit
dem nächsten bzw. erweiterten Umfeld (System) gearbeitet werden.
Die Sozialpsychiatrieverordnung
sowie die Verträge mit den Institutsambulanzen ermöglichten bislang diese
Einbeziehung des Umfeldes unserer Patienten. Die Kündigung beider
Versorgungsapparate überlässt viele Kinder und Jugendliche ihrem Schicksal,
insbesondere die sozial Schwachen, die sich eine andere Betreuung nicht leisten
können.
Im Namen der systemisch
arbeitenden, im kinder- und jugendpsychiatrischen Feld tätigen Therapeuten und
Berater unterschiedlichster Grundberufe, appellieren wir daher aufs Schärfste
an die Verhandlungsparteien und an die Politik, für eine rasche Lösung zu sorgen,
die auf keinen Fall hinter der bisherigen Versorgung zurückbleiben darf.
Für die Für
den
Deutsche Gesellschaft für Arbeitskreis
systemische Kinder-
Systemische
Therapie und Familientherapie und
Jugendpsychiatrie
Prof. Dr.
Jochen Schweitzer Dr.
Filip Caby
Kontakt:
Deutsche Gesellschaft für
Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF)
Christophstraße 31
50670 Köln