Stellungnahme zum Gesetzentwurf "familiengerichtliche Maßnahmen" (6/2007)

4. Juni 2007

Als Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) begrüßen wir die Intention und die vorgeschlagenen Formulierungen des o. g. Referentenentwurfs. Den entscheidenden Gewinn sehen wir in einer deutlichen Erhöhung des Anteils direkter Kommunikation zwischen den Beteiligten. Dies wird durch eine angemessene Stärkung der Rolle des Familiengerichtes, einer Konkretisierung und Ausweitung der Aufgaben des Gerichtes im Verfahrensablauf und die Regelung des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes erreicht. Die Ausweitung der Rolle des Familienrichters / der Familienrichterin muss unseres Erachtens allerdings einhergehen mit einer entsprechenden fachlichen Kompetenzerweite­rung. Um dem Zuwachs an Aufgaben und Autorität (die der Richterschaft qua Aufgaben zuwächst) gerecht zu werden, müssen Richterinnen und Richter unseres Erachtens in rollenspezifischen Fortbildungsangeboten einen Einblick in die systemischen Bedingungen von individuell auffälligem, gestörtem, krankem Verhalten und den engeren und weiteren Kontextbedingungen gewinnen – ähnlich wie das im nordrhein-westfälischen Fortbildungs­institut für die Justiz in der Gustav-Heinemann-Akademie in Recklinghausen geschieht. Sie sollten zumindest die grundlegenden Gesichtspunkte für eine Lösung in Kooperation von Familie, Jugendamt und sonstigen relevanten Institutionen und Personen kennen lernen.

Im Einzelnen möchten wir hervorheben:

1.      Die Konkretisierung  des § 1631 b BGB „... insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, ...“ entspricht unserer Erfahrung nach der Praxis in den meisten Bundesländern. Zu begrüßen ist die Einschränkung „auch nicht durch andere öffentliche Hilfen“, wobei die Praxis erst wird zeigen müssen, ob das damit intendierte Ziel tatsächlich erreicht wird.

2.      Der Verzicht im § 1666 Abs. 1 Satz 1 auf eine Nachweispflicht elterlichen Versagens ist aus unserer Erfahrung außerordentlich erfreulich. Die durch die alte Formulierung aufgezwungene Vergangenheitsorientierung ist zum einen nicht hilfreich und impliziert die Frage nach der Schuld, die immer ein großes Erschwernis bei der intendierten Zusammenarbeit mit den Eltern darstellt.

3.      Der Abs. 3 des § 1666 BGB, der komplett neu gefasst wird, enthält wichtige Regelungen, welche die Handlungsmöglichkeiten des Familiengerichtes deutlich ausweiten und konkretisieren. Auch dies halten wir für sinnvoll.

4.      Die Überprüfung von Entscheidungen in angemessenem Zeitabstand gemäß § 1696 Abs. 3 BGB und die Konkretisierung der Regel (nach 3 Monaten) sind sehr zu begrüßen.

5.      Das durch den § 50 e FGG eingeführte Vorrang- und Beschleunigungsgebot für das Familiengericht in Verfahren des Aufenthaltes des Kindes, des Umgangsrechtes oder der Herausgabe des Kindes sowie in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls ist nach unserer Erfahrung dringend erforderlich. Begrüßenswert ist hier, dass nicht nur die Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls in den Katalog einbezogen werden, sondern auch die Verfahren, die sich im Zuge eines Ehescheidungsverfahrens und um die Fragen der Ausübung der elterlichen Sorge, der Aufteilung der elterlichen Sorge oder der Wahrnehmung von Umgangsrechten herleiten, in den Katalog mit aufgenommen worden sind. Erfreulich ist ebenfalls, dass die Regelung des § 50 e Abs. 2 FGG die zwingende Erörterung der Sache mit den Beteiligten (einschließlich Jugendamt) in einem Termin vor dem Familiengericht nach sich zieht. Diese Regelungen stellen eine eindeutige Klärung des Verfahrens und damit eine erhebliche Verbesserung der gegenwärtigen Regelung dar. Das betrifft ebenfalls die Regelung, dass das Gericht das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen soll, weil hier auf die direkte Kommunikation zwischen den Beteiligten hingewirkt wird.

Im § 50 f FGG formuliert der Referentenentwurf eine erfreuliche Klärung der Rolle des Familiengerichtes im Verfahren nach den §§ 1666, 1666 a BGB. In Gesprächen mit verschiedenen Fachkolleginnen und Kollegen musste bislang immer wieder die große Bandbreite familiengerichtlichen Handelns in der gesamten Republik registriert werden. Die Regelung stellt daher eine erfreuliche Vereinheitlichung in den Kommunikationsprozessen dar.



Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF)

Dr. Wilhelm Rotthaus, 1. Vorsitzender

DGSF e. V.
Christophstraße 31
50670 Köln