Bericht von der 7. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGSF in Neu-Ulm

Dienstag 09.10.07

Ankunft des Orgateam im Mövenpickhotel.

Um 20 Uhr treffen wir uns zum gemeinsamen Abendessen mit anschließender Runde, in der alle auf den aktuellen Stand gebracht werden und die Aufgaben für die Nacht und den nächsten Tag besprochen werden. Die Stimmung würde ich mit „angespannter Erwartung“ beschreiben, wobei die Anspannungsgrade sehr unterschiedlich sind. Manche von und haben in den letzten Tagen 12 und mehr Stunden am Tag nichts anderes getan als die Tagung vorzubereiten.

Insgesamt haben wir Monate mit Vorbereitungstreffen, Ideensammlungen, mit Gesprächen, Verhandlungen, mit Auseinandersetzungen um Inhalte, Layout und Geld hinter uns gebracht.

In den nächsten Tagen wird sich zeigen, was das Team aus Psychologen, Sozialarbeiter, Dipolm-Pädagogin, Erzieher, Bürofachkraft, Heilpädagogin, Förster, Psychiater und Hebamme so alles zuwege gebracht hat. Selbstverständlich haben fast alle Beteiligten systemische Weiterbildungen genossen, und es ist somit ein Grundstock gemeinsamer Werte und Vorstellungen angelegt, der die Kommunikation erheblich erleichtert hat.

Relativ früh führt uns unser Weg in die Betten, doch Schlaf finden in dieser Nacht nicht alle. Zu groß ist die innere Anspannung.

Mittwoch 10.10.07

Wir bauen die Registratur auf, bei der im Laufe des Tages tatsächlich jeder Stecker auch seine Steckdose findet. In der High-tech-Ecke gelingt es, die Vorgänge eines jeden Teilnehmers genau nachzuvollziehen.

In einer anderen Ecke baut das Filmteam die Kameras zusammen und verteilt sie auf die entsprechenden Räume. Diese haben wir, wie fast alles technische Gerät, das in den nächsten Tagen zum Einsatz kommen wird, bei allen möglichen Menschen und Institutionen zusammen geliehen, um die Tagung möglichst preisgünstig zu halten. Viele helfende Hände, auch aus den Familienschulen, plazieren Blumenkübel und Sitzkissen, Kunstwerke und Gemälde.

Hinweisschilder werden gedruckt und aufgehängt.

Die Haustechniker unterstützen uns, wo immer sie können.

Um die Mittagszeit kommen immer mehr TeilnehmerInnen. An der Registratur haben wir uns im Vorfeld auf ein System der Bearbeitung geeinigt, das wir dann tatsächlich nicht ein einziges Mal so durchführen. Trotzdem muss niemand lange auf seine Mappe warten.

Manche sind nur erstaunt, dass auf ihrem Plan für die Workshops keine Eintragung zu finden ist. Die bekommen dann von unserer Bürofee einen Ordner vorgelegt, in dem alle Anmeldungen ohne Namen versammelt sind und dürfen sich den ihren aussuchen.

15 Uhr: An der Registratur brummt es. Alle TeilnehmerInnen bekommen, untermalt von der Musik der Klezmergruppe Safran, dieselben Fragen gestellt:„Kommen sie zum ‚Come together’ und zum Tagungsfest?“ Entsprechend werden Karten ausgegeben. Das Tagungsfest als „alte Bekannte“ wird kaum hinterfragt. Da gibt es meist ein klares „Ja“ oder „Nein“. Anders das ‚Come together’. „Was ist das?“, „Kostet das extra?“, „Gibt es was zu essen?“

„Ja, es gibt eine Kleinigkeit zu essen.“

„Ja, dann komme ich vielleicht.“

„Tut uns leid, aber sie müssen sich bis spätestens 15 Uhr entscheiden. Die Küche muß das planen.“

Nun, manche entscheiden sich sofort, Andere kommen bis 15 Uhr und melden sich an und ein nicht unerheblicher Teil entschließt sich ganz spontan, am Abend nun doch zu bleiben.

Um 16 Uhr wird es unten wieder etwas ruhiger. Die ersten spannenden Vorträge beim Forschungskolloquium sind bereits vorbei.

Die Tagung wird offiziell eröffnet. Die Technik zickt noch etwas, doch dann stehen wir als Orgateam alle auf der Bühne. Hinter uns das Logo der Tagung, vor uns ein beinahe voller Saal.

Ein schönes Gefühl zu erleben, dass die Auswahl der Themen und Referenten so viele Menschen nach Neu-Ulm gelockt hat. Langsam läßt die Spannung etwas nach. Alles scheint soweit zu funktionieren.

Dirk Baecker holt aus zu einer provokanten Reise von der oral geprägten Steinzeit bis zur computergesteuerten Neuzeit und gibt damit allen TeilnehmerInnen genug Gesprächsstoff für das anschließende Event. Angekündigt durch eine Geschichte und zugleich Handlungsanweisung für Pelzchen: Das „Come together“.

Gedacht als Raum für persönliche Gespräche, für Kennenlernen und Wiedersehen, für Ankommen, Umarmungen und um ein paar Happen zu essen.

Fast alles konnten wir genauso umsetzen, nur beim Thema Essen hätten wir Dirk Baecker vielleicht schon während der Vorbereitungen hören sollen. Hier hört der Spaß auf und es geht ums nackte Überleben. Wie im richtigen Leben werden nur die satt, die früh an der Futterquelle sind (noch während der Vortrag läuft) und die für die nächsten Tage ein Energiepolster schaffen (Teller gehäuft voll). Pech, wer zu spät kommt.

Wie gut, dass das Mövenpick-Restaurant und die Altstadt, mit ihren vielen Lokalen, nicht weit entfernt sind und dass das Magenknurren dezent von Klezmermusik übertönt wird. Der Stimmung tut das trotzdem keinen Abbruch. Die Frage, die wir uns im Nachhinein stellen, ist: Haben wir einen wichtigen thematischen Pfad vergessen? Möglicherweise mit dem Thema: Hungersnöte bei systemischen Therapeuten?

Um 22 Uhr schicken wir die Letzten nach Hause.

Donnerstag 11.10.07

Alle sind wieder da, niemand verhungert. Die Stimmung ist sehr gut. Immer noch reisen neue Gäste an.

Heute haben wir den organisatorisch anspruchsvollsten Tag. Die Workshops brauchen alle einen passenden Raum, das entsprechend angeforderte technische Equipment, genügend Stühle und Wasser für die Referenten. Es ist viel zu tun im Orgateam. Viele Anfragen kommen gleichzeitig und können nur von einer Person bedient werden. Unser Förster läuft auf Hochtouren, seine Frau Gerlinde ebenfalls. Der Rest des Teams führt aus, springt spontan ein, teilt Gläser aus, zaubert Flip Charts her, organisiert Tampons, Nähzeug und beantwortet viele Male Fragen dazu, dass Stuttgart und München gleich um die Ecke sind und KiGa Kindergarten bedeutet.

Am schwierigsten gestaltet sich die Wegbeschreibung zur Weststadtschule. Und so verirren sich ein paar Menschen auf dem Weg dorthin, werden aber durch die tatkräftige Mitwirkung anderer TeilnehmerInnen, per Handyführung, zurück in den Schoß der Gemeinschaft geführt.

Für den nächsten Tag lernen wir daraus und legen entsprechende Stadtpläne aus.

Wir kommen nur teilweise dazu, die Hauptvorträge anzuhören, von Ilona Kickbusch, die uns die Bedeutung von Gesundheit des Einzelnen als Wirtschaftsgut der Weltgemeinschaft nahe bringt. Oder Eva Strasser, die anhand von realen Beispielen demonstriert, wie Menschen unterschiedlich auf die weltweite Globalisierung reagieren, und damit gewinnen als auch verlieren können.

Dankbar sind wir dafür, dass die fast bis zum Schluss offene Stelle des Politikers auf dem Podium doch noch kompetent besetzt werden konnte. Mit Frau Mayer-Dölle, Sozialdezernentin der Stadt Ulm, erleben wir bei der Podiumsdiskussion eine Frau, die energisch die Position der schwächsten Mitglieder unserer Gemeinschaft, der Kinder, vertritt.

Die Mittagspause nutzen viele für einen Bummel in die Altstadt von Ulm, bevor am Nachmittag der Run zu den Workshops los geht. Danach hören wir oft, von ein und demselben Workshop, genau entgegengesetzte Meinungen, die uns mal wieder bestätigen, dass jeder Mensch in seiner eigenen Wirklichkeit lebt, die unterschiedliches Erleben erzeugt.

Um 16 Uhr beginnt der Pilgerzug zur DGSF-Mitgliederversammlung, welche geprägt ist durch die sehr persönliche Verabschiedung der langjährigen, verdienten Vorstandsmitglieder Friedebert Kröger und des ersten Vorsitzenden Wilhelm Rotthaus und die trotzdem um 22 Uhr zu einer moderaten Zeit ein Ende findet.

Wir harren an der Registratur aus, bis die Letzten gegangen sind. Mehr als die Hälfte der Tagung haben wir geschafft. Dass Eia Asen in London mit dem Nebel kämpft und vermutlich morgen um 11 Uhr nicht da sein kann, hindert uns nicht daran, tief und ruhig zu schlafen.

Freitag 12.10.07

Schon beim Aufstehen tun die Füße weh vom vielen Stehen der letzten Tage und den langen Wegen im Haus. Ansonsten haben wir langsam Routine. Räume werden umverteilt, denn inzwischen ist klar, Eia Asen kommt nicht. Neue Listen werden gedruckt, lange bevor die ersten Teilnehmer im Haus ankommen.

Wieder haben wir keine Zeit uns die Vorträge anzuhören.

Doch in den Pausen bekommen wir immer öfter die Rückmeldung, dass wir einen tolle Tagung organisiert haben, in einem sehr angenehmen Tagungshaus, mit phantastischer Kulisse und dem perfekten Wetter sowie der Möglichkeit, sofort „im Grünen“ zu sein. Auch die Themenvielfalt wird uns als positiv zurückgemeldet. Mehrfach fällt auch auf, dass bisher unbekannte Referenten wertvolle Impulse für die systemische Arbeit geben können.

Die Stimmung ist nach wie vor sehr gut, fast familiär. Das Spotlight gerät etwas lauwarm und nicht ganz nach unserer Planung. Das Posterforum wird offensichtlich nicht von allen wahrgenommen und zum Pressegespräch erscheint nicht ein einziger Journalist. Dafür kommen wir seit zwei Tagen im Radio, mit dem Aufruf für die Bevölkerung, an der Tagung teilzunehmen.

Hinter den Kulissen der Workshops laufen am Nachmittag die Vorbereitungen zum Festabend. Wieder wird umdekoriert, Blumen neu arrangiert, letzte Absprachen mit dem Service getätigt und HelferInnen eingewiesen. Im letzten Moment schaffen auch wir es noch, uns in frischen Kleidern zu Sekt im Foyer einzufinden.

Zum ersten Mal sind nun auch wir Gäste unserer Veranstaltung und können das Programm in vollen Zügen genießen. Pointiert fasst der Kabarettist Arno Hermer in seinem „Narrenspiegel“ die Highlights der Tagung zusammen.

Der Sturm auf das anschließende Buffet lässt noch auf schwach verheilte Wunden des ‚Come together’ schließen. Doch an diesem Abend wurden die Eintrittskarten streng kontrolliert und die zwei, drei Personen, die sich hier durchgemogelt haben, sind geduldet. Jeder, der heute Abend satt werden will, kann dies auch. Annette und Michael singen zu Vorspeise und Hauptgang, da uns sonst die Zeit davonläuft, denn die Überraschung des Abends ist zeitlich festgelegt.

In warme Jacken gehüllt, bestaunen wir über der nächtlichen Kulisse von Ulm und der Donau ein phantastisches Feuerwerk. Das Abschiedsgeschenk für Friedebert und Wilhelm. Oooohs und Aaaaahs begleiten den Feuerregen, der sich in immer schöneren Formen am nächtlichen Himmel auftut.

Kaum zurück im großen Saal kann sich nun auch die Band „Show time“ nicht mehr nur auf leise Hintergrundmusik reduzieren. Sie greifen in die Tasten und innerhalb von zwei Minuten tanzt die Tagung. Selbst Kniegeschädigte hält es nicht lange auf den Stühlen. Sängerin Stefanie begeistert mit ihrer Stimme und ihrem natürlichen, schwäbischen Charme vor allem die Männer. Bis in die frühen Morgenstunden zucken systemisch gefütterte Leiber zum Takt der 60er und 70er Jahre.

Und hätte der Saal nicht für den nächsten Morgen wieder zum Vortragssaal umgebaut werden müssen, was dem wilden Treiben ein natürliches Ende gesetzt hat, so wären wohl manche in dieser Nacht nicht in die Betten gekommen.

Samstag, 13.10.07

Die Nacht war eindeutig zu kurz. Wieder fällt ein Referent aus. Dieses Mal wegen Erkrankung und für uns komfortabel – er hat einen Ersatzmann, den er schicken kann. Während die letzten Vorträge laufen, beginnen wir mit dem Aufräumen. Einige von uns fahren Referenten zum Flughafen oder Bahnhof.

Der Abschlussvortrag von Kurt Ludewig gibt noch einmal Anstoß zum Nachdenken über unser Verständnis vom Menschenbild im Zusammenhang mit Therapie. Es fällt auf, das auch heute noch überraschend viele TeilnehmerInnen anwesend sind. Den Grund bekommen wir von einigen rückgemeldet. Sie finden es gut, dass es uns gelungen ist, auch am Samstag interessante Referenten mit wichtigen Themen einzuladen.

Und dann ist es so weit. Wieder stehen wir als Orgateam auf der Bühne. Worte des Dankes, Blumen, Geschenke und ein eigens kreiertes Zertifikat als ‚Systemische Tagungsmanager’ belohnen unsere Mühe. Der schönste Dank jedoch sind die 500 Teilnehmer, das Wohlwollen, das uns von den Meisten trotz unserer Versäumnisse entgegengebracht wurde und vor allem die gute Stimmung.

Das Haus leert sich. Überall umarmen sich Menschen, die sich vielleicht erst wieder in einem Jahr sehen werden.

Wir packen unsere leeren Apfelkisten, unsere Geräte, Blumenkübel und Koffer in die bereitgestellten Autos. Das Technikerteam des Hauses fragt uns, welche Veranstaltung wir

als nächstes managen. Wir werten dies als Zeichen dafür, einen kompetenten Eindruck hinterlassen zu haben.

Im Wenger Mühle Centrum finden wir zu einem ersten Abschlussgespräch noch einmal zusammen. Und dann gibt es nur noch einen Wunsch: Nach Hause!

28.10.07 Wengen

Das Vorbereitungsteam trifft sich zur Nachbereitung. Die Rückmeldebögen sind bereits ausgewertet. Die Note, die die TeilnehmerInnen der Tagung erteilt haben, bewegt sich zwischen sehr gut und gut. Unser Eindruck bestätigt sich damit.

Natürlich haben wir auch Dinge versäumt zu tun und es gab kleinere technische Pannen und doch, es war gelungen!!!!!!!

Bei aller Freude und  Lust des Organisierens wird es gut sein, in Essen 2008 einfach nur TeilnehmerInnen zu sein.

Elisabeth Liebhardt-Böhm