Fachtag: "Knotenpunkte - Systemische Konzepte treffen Psychiatrie"

Beim Fachtag „Knotenpunkte – Systemische Konzepte treffen Psychiatrie“ haben sich gut 110 Personen aus verschiedenen therapeutischen und sozialen Einrichtungen austauschen können und in den verschiedenen Vorträgen einen Einblick bekommen, wie im Speziellen Angehörige im Umgang mit psychischen Krankheiten betroffen sind. Die Moderation führte Frau Sabine Göb, Journalistin. 1. Impulsreferat von Dr. Friederike Burkhardt-Staudigel 2. Angehörige von psychisch Kranken – Auswirkungen auf die Lebensqualität – eine Forschungsarbeit im Bezirkskrankenhaus Wöllershof, Dr. Fleischmann 3. Dialog mit Frau Hanna Grünewald-Selig, Leiterin von ISYS und Frau Eva Straub, stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundesverbandes Angehörige Psychisch Kranker e. V. 4. „Systemische Konzepte bei Eltern psychisch kranker Kinder“ von Frau Dr. med. Doris Unglaub, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin 5. Podiumsdiskussion mit Dr. Fleischmann, Frau Heuser, Sabine Göb, Hanna Grünewald-Selig, Frau Eva Straub, Dr. Friederike Burkhardt-Staudigel. So berichtete Dr. Heribert Fleischmann, Direktor der Bezirksklinik Wöllershof, Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, dass in einer Forschungsarbeit festgestellt wurde, wie die Lebensqualität von Angehörigen und Kranken durch die Krankheit eingeschränkt wird. Dabei wurde bewiesen, dass Eltern von psychisch Kranken einer Belastung ausgesetzt sind, die der Belastung kurz vor einer Prüfung gleicht. Die Belastung bei einer Prüfungsvorbereitung ist jedoch kurzfristig, während die Belastung bei Angehörigen von psychisch Kranken über Jahre andauern kann. Im Einführungsreferat von Dr. med. Friederike Burkhardt wurden allgemeine systemische Erfahrungen in der Arbeit mit psychisch Kranken und deren Angehörigen erörtert. Dabei berücksichtigt die systemische Therapie die unterschiedlichen Zielsetzungen in den verschiedenen Einrichtungen, die sich mit psychisch Kranken beschäftigen. Einerseits wird hier eine Vielfalt geboten, andererseits verlieren Angehörige (auch Fachleute) oft die Übersicht. Sie fühlen sich den Experten gegenüber ausgesetzt und oft auch abgewertet. Diesem soll eine ressourcenorientierte Beratung entgegenwirken. Besonders betroffen und von wenigen beachtet, sind Kinder von psychisch kranken Eltern. Hier hat Ute Bürgermeister mit einigen betroffenen Jugendlichen einen Einblick in den Alltag dieser Jugendlichen geben können. Die Belastung dieser Kinder, besonders bei der Rollenumkehr, Eltern werden zu Kinder, Kinder werden zu Eltern ihrer Eltern, sind in der Gesellschaft völlig unterschätzte Belastungen für Kinder und Jugendliche. Oft werden sogar von Ärzten und Psychologen, die die Kranken in den Mittelpunkt stellen, diese Kinder als „Hilfe“ benutzt und belastet, ohne zu beachten, dass diese sich selbst noch im Entwicklungsprozess befinden und Hilfe von Erwachsenen dringend benötigen. In dem Dialog/Trialog von Frau Grünewald-Selig, Leiterin von ISYS und Frau Straub, Angehörige und stellvertretende Bundes- und Landesvorsitzende des Bundes/Landesverbandes Angehörige psychisch Kranker e. V. wurde klar, wie wichtig es ist, dass Therapeuten auf die besondere Situation der Angehörigen achten und diese respektieren. Angehörige kennen ihre Kranken vor dem Ausbruch der Krankheit viele Jahre lang und wissen, auf was und wie der/die Kranke reagiert. Therapeuten und Fachleute sollten hier den Angehörigen Wertschätzung und Würdigung der Arbeit und des Engagements entgegenbringen, das vor allem von den Müttern, aber auch von Vätern, Geschwistern und Ehepartnern aufgebracht wird. Systemische Therapie kann hier über die Angehörigen ansetzen und das durch die Krankheit belastete Familiensystem, Entlastung bekommen. Schuldzuweisungen sind nicht hilfreich und gehören nicht mehr in eine ressourcenorientierte Therapie. Hilfreich dagegen sind biologische Erklärungsmodelle. Als wirksame Methode in der systemischen Therapie hat sich auch die Externalisierung von Krankheit und Gesundheit gezeigt. Krankheit und Gesundheit im Familiensystem als eigenständige dynamische Einheit (Tier, Person oder ähnliches) wahrzunehmen hilft Angehörigen und Kranken zu erkennen, dass sie noch eine andere Persönlichkeit besitzen als die Krankheit und, dass die Gesundheit auch problematisch sein kann. Hier war es wichtig gegenseitige Vorurteile zwischen Therapeuten und Angehörige abzubauen. Ein reflektierendes Team diskutierte anschließend das Gehörte untereinander. Das Leid der Angehörigen zu mildern heißt auch, die Belastung des Kranken mildern. Statt Schuldzuweisung ist eine multidimensionale systemische Sichtweise hilfreich, Entlastung und Heilung in die betroffenen Systeme zu bringen. Entscheidend dabei ist auch, wie die Fachleute am Patienten zusammenwirken bzw. sich gegenseitig beeinflussen. In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde erwähnt, wie wichtig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist. In einigen Regionen in Sachsen ist eine psychiatrische Versorgung kaum gewährt. Patienten müßten überhaupt lange auf eine Behandlung warten. Die Kassenärtzliche Vereinigung würde viel zu wenig Niederlassungen frei geben. Dadurch entstehe ein Versorgungsnotstand. Viele Patienten müssen Monate lang warten, bis sie eine Behandlung bekommen. Angehörige haben in dieser Zeit die ganze Belastung zu tragen und bekommen dafür von der Gesellschaft keinerlei Anerkennung. Kritisiert wurde auch, dass die Kunsttherapie aus den Psychatrischen Krankenhäusern wegrationalisiert wurde. Frau Irene Heuser von Sozialwerk Heuser in Burglengenfeld, zeigte mit der Ausstellung: „Bilder von besonderen Menschen für besondere Menschen“, dass über die Kunst psychisch kranke Menschen zur Kreativität und zu einer erstaunlichen Leistung finden. Arbeit in einer mittelschicht- und leistungsorientierten Gesellschaft, die durch Konkurrenzkampf und belastende Arbeitsbedingungen gekennzeichnet ist, können psychisch Kranke mit ihrer Sensibilität nicht bestehen. Psychisch Kranke brauchen im Gegensatz dazu, selbstbestimmte Tätigkeiten, die der jeweiligen Krankheit angepaßt sind. Kranke und Angehörige finden dadurch wieder zu mehr Lebensqualität und zur Wahnehmung ihrer eigenen Ressourcen. Nur darüber ist eine Heilung oder Verbesserung der Krankheit ergänzend zur Pharmakologie möglich. Erwiesenermaßen können hierdurch Medikamente eingespart werden. Zusammenfassung: Für psychisch Kranke und ihre Angehörigen ist die systemische Therapie eine große Hilfe, Eltern und Angehörige in ihrer Suche nach Heilung zu unterstützen. Ausgehend von der Belastung, die sich Angehörige gegenüber sehen, kann Hilfe sowohl auch indirekt über die Angehörigen ansetzen und damit den Patienten entlasten. Die Hilfe die Angehörige leisten, können nicht durch Experten, Ärzte, Sozialarbeiter und andere Helfer ersetzt werden. Deshalb ist ein einfacher Satz aus der systemischen Therapie hier sinnvoll: „Betroffene als Beteiligte wahrnehmen und unterstützend behandeln“. Der Fachtag war ein Erfolg, ein kleiner Schritt zum besseren Verständnis der Fachleute untereinander und zu mehr Verständnis der Leistungen der Angehörigen gegenüber. Die Referate können als DVD bestellt werden bei schuetz@avrecord.de Regensburg, 14.07.2009 Hanna Grünwald-Selig