Systemische Kinder- und Jugendhilfe im Dialog II


Systemische Kinder- und Jugendhilfe im Dialog II:

„Resilienz – Münchhausens Kräfte erkennen und stärken“ am 25.11.2009 in Schwerte

Zum 2. Mal in diesem Jahr veranstaltete die Fachgruppe Systemische Kinder- und Jugendhilfe der DGSF, (Arbeitsgruppe NRW) in der Schwerter Rohrmeisterei eine Vortragsveranstaltung mit anschließender Diskussion, diesmal zum Thema „Resilienz – Münchhausens Kräfte erkennen und stärken“. Frau Prof. Dr. Nicolai von der ev. Hochschule Ludwigsburg, eine ausgewiesene Kennerin der Materie, die selbst über vielfältige Praxiserfahrungen in der Kinder- und Jugendhilfe verfügt, konnte für den Abend als Referentin gewonnen werden. Klaus-Peter Langner, einer der Mitwirkenden in der Fachgruppe, konnte über 150 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßen. Aus Köln war der Geschäftsführer der DGSF, Bernhard Schorn, angereist, überbrachte die Grüße des Vorstandes der DGSF, stellte die DGSF kurz vor, betonte die Bedeutung der Fachgruppe „Kinder- und Jugendhilfe“ in der DGSF und berichtete über die berufspolitischen Stellungnahmen, die von der DGSF in der letzten Zeit in den aktuellen Diskursen bundesweit abgegeben wurden.

DGSF-Resilienz2

In ihrem Referat stellte Frau Dr. Nicolai heraus, dass Resilienz als neue Perspektive in den 1990er Jahren aus dem therapeutischen Bereich heraus bekannt wurde: Resilienz sei immer relational, weil es keine Resilienz ohne Krise geben würde. Damit sei Resilienz auch mehr als „nur“ Ressourcenorientierung. Die am weitesten gehende Definition stamme von Froma Walsh, die sagt: „Resilienz ist die Fähigkeit, aus widrigsten Lebensumständen gestärkt und mit größeren Ressourcen ausgestattet als zuvor herauszukommen...“ Dann erläuterte sie den Ursprung des Konzeptes und berichtete über die „Kauai – Studie“ von Emmy Werner (1982), die auf der dem Hawai - Archipel zugehörigen Insel Kauai alle Kinder des Geburtsjahrgangs 1955 (N = 698) nach ihrer Geburt, im zweiten, zehnten, achtzehnten und dreißigsten Lebenjahr untersuchte mit dem Ziel, ihre physischen, kognitiven und sozialen Entwicklungen zu verfolgen. Werner konnte aus ihren Untersuchungen heraus 7 Hauptrisikofaktoren herausstellen:

  • Chronische Armut
  • Geringe Schulbildung der Eltern
  • Entwicklungsverzögerungen
  • Scheidung / Trennung der Eltern
  • Tod von Familienangehörigen
  • Psychische Erkrankung der Eltern
  • Alkohol- oder Drogenabhängigkeit der Eltern


Werner bezeichnet Kinder, die 4 der 7 Faktoren ausgesetzt waren, als Risikokinder. denn 75 % dieser Kinder wiesen im Alter von 10 Jahren schwerwiegende Lern- und Verhaltensstörungen auf und waren im 18. Lebensjahr straffällig oder wiesen psychiatrische Auffälligkeiten auf. 25 % der Risikokinder waren jedoch psychisch besonders widerstandsfähig und entwickelten sich trotz massiver, multipler Belastungen zu normalen, kompetenten und störungsfreien Personen. Werner beobachtete hierbei folgende protektive Umweltfaktoren der Kinder:

  • Mindestens eine stabile, verlässliche Bezugsperson, die Sicherheit, Vertrauen, und Autonomie fördert und ein positives Rollenmodell liefert
  • Gute Bewältigungsmöglichkeiten der Eltern in Belastungssituationen
  • Ein wertschätzendes und unterstützendes Klima in der Bildungsinstitution
  • Dosierte soziale Verantwortlichkeiten und individuell angemessene Leistungsanforderungen

Resilienz Schwerte



Als protektive „personale“ Faktoren stellte Frau Dr. Nicolai Problemlösefähigkeiten, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, realitätsnahe und positive Selbstkonzepte, Fähigkeiten der Selbstregulation, die Motivation zur Bewältigung und die Fähigkeit, sich Hilfe zu suchen sowie eine optimistische Lebenseinstellung heraus.

Anschließend referierte sie die 7 Faktoren der Resilienz:

  1. Akzeptanz
  2. Optimismus
  3. Aktive Lösungsorientierung
  4. Überzeugung der Selbstwirksamkeit
  5. Günstiger Attributionsstil
  6. Netzwerkorientierung
  7. Zukunftsorientierung

Neben der Fragestellung, was nun unter dem Gesagten das Besondere für die Praxis ausmachen würde, wurden für die Zuhörerschaft, unter denen sich auch viele Erzieherinnen aus Kindertageseinrichtungen befanden, die Grundbausteine für Resilienzförderung von Kindern referiert. Als Folge davon stellte Frau Dr. Nicolai Ansatzpunkte für Resilienzförderung auf der individuellen und der Beziehungsebene dar. Ferner stellte sie Präventionsmaßnahmen bei hoch belasteten Familien vor und beendete das Kapitel mit der Darstellung systemischer Methoden in Sozialer Arbeit und Therapie, die der Resilienzstärkung dienen.

In einem weiteren Abschnitt betrachtete die Referentin dann die Selbstfürsorge der Profis und stellte Risikofaktoren bei Helferinnen und Helfern dar. Über Burn – out – Prophylaxe gab sie weitere Anregungen zur Resilienz – Förderung der Profis und beendete ihren Vortrag mit den weiterführenden Literaturhinweisen.

Die Zuhörerschaft dankte Frau Prof. Dr. Nicolai mit lang anhaltendem Applaus. Besonders ihr lebhafter und gut verständlicher Vortragsstil mit weitgehendem Verzicht auf Anglizismen oder der Verwendung von Verständnis hemmenden Fremdwörtern fand allgemein Zustimmung. In der anschließenden Diskussion wurden Verständnisfragen geklärt und Anteil genommen am weiteren Verlauf der von Frau Dr. Nicolai skizzierten Fallsituationen.

Nach einer Pause stellte Anke Lingnau – Carduck, eine der drei in Potsdam neu gewählten Sprecherinnen der Fachgruppe Systemische Kinder- und Jugendhilfe, die gegenwärtigen Aufgaben der Fachgruppe innerhalb der DGSF dar. Claudia Lintner berichtete dann dem Auditorium über die Arbeitsgruppen, die sich nach der ersten Veranstaltung im Januar 2009 gebildet haben und die sich noch immer in Essen und Dortmund sowie Schwerte regelmäßig treffen und „vernetzen“. Und zum Schluss boten Birgit Averbeck und Enno Hermans für die Interessierten Einstiegsmöglichkeiten in die bereits laufenden Vernetzungsgruppen.

Der Abend, der um 18:00 Uhr begann, endete gegen 20:45 Uhr und viele der zum Teil von weit her  Angereisten ließen den Besuch der Veranstaltung am Büchertisch oder in der Restauration der „Rohrmeisterei“ bei Gesprächen mit anderen Gleichgesinnten ausklingen.

 (Klaus-Peter Langner, 8.12.2009)

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