Informationen und Aufruf der DGSF an alle Familien- und Systemische TherapeutInnen zu den Kammerwahlen der Psychotherapeuten

Mit der erstmaligen Gründung der Psychotherapeutenkammern erfolgen zur Zeit wichtige Weichenstellungen für alle Belange psychotherapeutischer Tätigkeit in Deutschland. Beim  Stichwort „Psychotherapeutenkammern“ scheinen sich viele Kollegen mit einem Stoßseufzer und dem Gedanken an weitere Formalisierung und Bürokratisierung resigniert abzuwenden. Das ist verständlich, wenn man die Entwicklungen der Integration in die kassenärztliche Vereinigung als Vergleich heranzieht, allerdings würden dabei wesentliche Perspektiven der Kammerbildung übersehen werden. Wir bitten daher alle, denen der Fortbestand und die Weiterentwicklung „unserer“ psychotherapeutischen Verfahren am Herzen liegt, sich ein paar Minuten Zeit für die folgenden Zeilen zu nehmen:

Was ist die Psychotherapeutenkammer? 
Mit dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) wurden neben den bisher bestehenden Heilberufen (Arzt, Zahnarzt, Apotheker), zwei neue Heilberufe geschaffen:

der/die Psychologische PsychotherapeutIn (PP) und der/die Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn (KJP).
In den zukünftigen Kammern erhalten die beiden neuen Berufe erstmalig die Möglichkeit, ihre beruflichen Belange eigenständig zu regeln und nach außen zu vertreten. 

Die gesetzliche Grundlage dafür bildet das Heilberuferecht der Länder, das zur Errichtung der Kammern für die PPs und KJPs geändert werden muß; in einigen Bundesländern ist dies schon geschehen. Damit sind die Voraussetzungen für die Errichtung von Kammern auf Landesebene geschaffen. Nach der Novellierung des jeweiligen Heilberufgesetzes kann die Kammer auf Landesebene gegründet werden. Die Landespsycho- therapeutenkammern wiederum können sich zur gemeinsamen Interessenvertretung in einer Bundespsychotherapeutenkammer organisieren.

Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts; ihr werden vom Staat. hoheitliche Aufgaben übertragen. Kammern gelten als rechtsfähige juristische Person. Sie regeln die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder nach dem Prinzip der autonomen Selbstverwaltung, unterliegen jedoch staatlicher Aufsicht.

Was sind ihre Aufgaben?
Zu den Aufgaben der Kammer gehören u.a. die Wahrnehmung der beruflichen Belange der Mitglieder, Erlaß von Berufsordnungen, Überwachung der Erfüllung der Berufspflichten, Führung von Berufsverzeichnissen, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Kammerangehörigen, Berufsgerichtsbarkeit, Förderung von Fortbildung und Qualitätssicherung, Regelung der Weiterbildungen und Bescheinigungen von Zusatzqualifikationen, Anerkennung bzw. Ermächtigung von Weiterbildungsstätten.
Die Kammer hat das Mandat zur Vertretung des Berufsstandes gegenüber Behörden, Kostenträgern, öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern, Tarifparteien u.a.

Wer ist Mitglied?
Alle Approbierten, d.h. alle PPs und KJPs, gleichgültig ob sie in freier Praxis oder im Angestelltenverhältnis arbeiten, sind Pflichtmitglieder, also ‚Kammerangehörige’. Wer nicht Mitglied in der Kammer sein will, muß seine Approbation zurückgeben und verzichtet damit auf die Erlaubnis zur Ausübung von Psychotherapie im Sinne des PsychThG.

Was kostet die Mitgliedschaft?
Je nach Mitgliederstärke der jeweiligen Landespsychotherapeutenkammer kann der Jahresbeitrag differieren. In NRW z.B., wo ca. 6.500 approbiert sind, wird der Jahresbeitrag bei voraussichtlich 500,- DM liegen, in Niedersachsen mit ca. 2.700 Mitgliedern wurden 300.-DM für das Jahr 2000 beschlossen.

Wie wird gewählt?
PP und KJP wählen getrennt ihre VertreterInnen in die Kammerversammlung, auch wenn es nur eine gemeinsame Kammer für beide Berufsgruppen gibt. Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl aufgrund von Listen- und Einzelwahlvorschlägen innerhalb des Bezirks der Kammer getrennt nach Wahlkreisen. Die Wahl erfolgt als Briefwahl. 
In NRW sind die Wahlkreise identisch mit den Regierungsbezirken, die die  Approbation erteilt hatten.; pro 100 Kammerangehörige kommt hier eine VertreterIn in die Kammerversammlung.
Detaillierte Informationen zum Wahlprocedere in Ihrem Bundesland erhalten Sie unaufgefordert vom zuständigen Errichtungs- bzw. Gründungsausschuß Ihrer Psychotherapeutenkammer.

Welche Bedeutung hat die Kammer 
und wie nutzt sie den Psychotherapeuten? 
Das Psychotherapeutengesetz regelt, wer zur Ausübung von Psychotherapie „zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert“ berechtigt ist. Die Kontrolle dieser Tätigkeit überträgt der Gesetzgeber der Selbstverwaltung in den Psychotherapeutenkammern. Damit wird die Berufsausübungkontrolle, die bislang von Ärzten des örtlichen Gesundheitsamtes (man denke an die HP-Erlaubnis) oder anderen fachfremden Behörden wahrgenommen wurde, in die Hände des eigenen Berufsstandes gelegt. Das bedeutet eine Stärkung der fachlichen Autonomie der Psychologischen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Die Ausübung von Psychotherapie im Sinne des Gesetzes ist an die Approbation geknüpft ¯ ohne Approbation keine (heilkundliche) Psychotherapie! Dies gilt in allen psychotherapeutischen Tätigkeitsfeldern, also auch im Krankenhaus, im Heim oder in der Beratungsstelle.
Manche angestellte oder verbeamtete KollegInnen meinten bisher, das PsychThG habe keine Auswirkungen auf ihre berufliche Realität, sondern betreffe nur die Freiberufler. Das stimmt nicht. Über kurz oder lang werden Einstellungen und Höhergruppierungen, sowie insbesondere die Übertragung von Funktionen und Verantwortung (bspw. die Leitung von Stationen oder Teams) an die Approbation geknüpft werden. 
Die Kammer nimmt in Zukunft bei solchen Fragestellungen die rechtliche Vertretung der Kammerangehörigen gegenüber den Arbeitgebern und den Tarifparteien wahr.

Die Regelung der Weiterbildung gehört zu den wesentlichsten Aufgaben einer Kammer. Sie ist der Ort, an dem wir darauf Einfluß nehmen können, daß in Zukunft die Engführung auf die sog. Richtlinienverfahren vermieden wird. Durch die Wahl entsprechender VertreterInnen in die Kammerversammlung und deren aktive Mitarbeit im Weiterbildungsausschuß der Kammer, haben wir die Chance, der Familien- und Systemischen Therapie sowie den anderen Nicht-Richtlinienverfahren, (mit denen wir seit über 20 Jahren AGPF kooperieren) den Platz zu verschaffen, der ihrer Verbreitung und klinischen Relevanz entspricht.

Was ist zu tun?
Wenn wir Einfluß nehmen wollen, müssen wir es jetzt tun! Wenn wir die Chance bei den ersten Kammerwahlen nicht nutzen, wird erst in 4 Jahren bei den nächsten Kammerwahlen wieder eine Möglichkeit bestehen. Bis dahin wird vieles entschieden sein.
In Bremen und Niedersachsen wurde bereits gewählt ¯ mit guten Ergebnissen für die Vertreter unserer Verfahren. In den übrigen Bundesländern stehen die Wahlen noch bevor.

  • Wir fordern daher alle Familien- und Systemischen TherapeutInnen, die eine Approbation als PP oder KJP haben, auf, sich an der Wahl zu beteiligen und die Kandidaten zu wählen, die für eine Vielfalt der psychotherapeutischen Ansätze einstehen.
  • Wir rufen auf zur Kandidatur für die Kammerversammlung und zur Mitarbeit in den Ausschüssen. 

Wer Rat und Information braucht oder wer kandidieren will, aber nicht weiß, mit wem er ggf. eine Liste bilden könnte, wende sich bitte an die 
DGSF: 

Anni Michelmann, Richard-Wagner-Str.44, 53115 Bonn 
Tel.: 0228/ 638707 Fax: 0228/ 9691131 
anni.michelmann@t-online.de