Resolution des Verbändetreffens an den UBKSM

Resolution des

Verbändetreffens gegen Grenzverletzungen und sexuellen Missbrauch
in Psychotherapie und psychosozialer Beratung

Köln, 16.05.2014

I. Verantwortungsgemeinschaft zum Schutz vor sexualisierter Gewalt

Der von der Bundesregierung im März 2010 eingesetzte Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich" hat im November 2011 mit seinem Abschlussbericht eine Vielzahl von Empfehlungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und für immaterielle und materielle Hilfen für von sexualisierter Gewalt Betroffene beschlossen. Mit diesen Empfehlungen wurde die Basis für einen anspruchsvollen Umsetzungsprozess gelegt, der jedoch nur gelingen kann, wenn Verantwortungsträger in Politik, Gesellschaft und Kirche sich verpflichten, diese Empfehlungen konsequent, transparent und zeitnah zur Anwendung zu bringen.

Mit Verabschiedung des Abschlussberichtes des Runden Tisches und durch Beschluss der Bundesregierung vom 7. Dezember 2011 wurde der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Johannes-Wilhelm Rörig beauftragt, die Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches zu unterstützen, zu beobachten und hierüber in regelmäßigen Abständen zu berichten. Mit dem Abschluss seiner Arbeit in der vorherigen Legislaturperiode Ende 2013 hat der Unabhängige Beauftragte Empfehlungen an die Politik gerichtet, in die auch die Erkenntnisse aus diesen Umsetzungsprozessen eingeflossen sind. Im März 2014 wurde Rörig vom Bundeskabinett für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt.

Das Verbändetreffen gegen Grenzverletzungen und sexuellen Missbrauch in Psychotherapie und psychosozialer Beratung (Verbändetreffen) unterstützt die Arbeit des Runden Tisches, da Erkenntnisse aus dem Bereich von Grenzverletzungen und sexuellen Missbrauch in der Psychotherapie hilfreich und aufschlussreich in der Prävention von sexuellen Kindesmissbrauch sind. Die strukturellen Abhängigkeitsverhältnisse in psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen entsprechen familiären und persönlichen Abhängigkeitsbeziehungen, die als Grundlage von Kindesmissbrauch dienen, ebenso wie die Psychodynamik und die nachweisbaren Folgen von Grenzverletzungen in psychotherapeutischen Behandlungen denen von sexuellem Kindesmissbrauch gleichen. Nicht zuletzt sollten durch Reflexion von Grenzverletzungen und Missbrauch in Psychotherapie und Beratung hilfesuchende Opfer von Kindesmissbrauch davor geschützt werden, erneut missbraucht zu werden.

Das Verbändetreffen gegen Grenzverletzungen und sexuellen Missbrauch in Psychotherapie und psychosozialer Beratung hat sich seit den 90-er Jahren maßgeblich für die Verabschiedung des § 174c StGB eingesetzt. Zehn Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes hat das Verbändetreffen sich um ein Monitoring bemüht und die Situation von Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten erneut dargestellt.
Die Erfassung der bis dato anhängigen strafrechtlichen Verfahren und der entsprechenden berufsrechtlichen Verfahren in Ärztekammern und Kammern für psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen sowie allen Kassenärztlichen Vereinigungen zeigte, dass sich die Situation der betroffenen geschädigten Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten offenbar nur unwesentlich verbessert hat. Formale Beschwerden und strafrechtliche Schritte stellen für Betroffene eine zu große Hürde dar.

Möglichkeiten für eine niederschwellige vertrauliche und professionelle Beratung für alle Betroffene sind dringend erforderlich, bestehen derzeit jedoch nur in einigen Berufsverbänden und –vereinen auf ehrenamtlicher Basis.

Das Verbändetreffen und der Unabhängige Beauftragte stimmen darin überein, dass auch über die Arbeit des Runden Tisches hinaus der Schutz von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen, vor sexualisierter Gewalt, wirksam und nachhaltig verbessert werden muss.

Das Verbändetreffen ist an einer nachhaltigen Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches in allen Bereichen der psychotherapeutischen Versorgung interessiert, um den notwendigen Schutz vor sexualisierter Gewalt und vor Ausnutzung von Abhängigkeit in professionellen Behandlungsbeziehungen zu gewährleisten, da grenzverletzende Beziehungsmuster über die Generationen hinweg sowohl innerfamiliär als auch durch die Weitergabe von Vorbildsrollen in wichtigen persönlichen Beziehungen weitergegeben werden und so mittelbar zur Aufrechterhaltung des sexuellen Kindesmissbrauchs beitragen. Das Verbändetreffen bittet den Unabhängigen Beauftragten daher, mit den Kammern, den Kassenärztlichen Vereinigungen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Einvernehmen zu erzielen, dass bundesweit niederschwellige Beratungsstrukturen geschaffen werden.

II.        Aktivitäten des Verbändetreffens zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und Ausnutzung von Abhängigkeit

Das Verbändetreffen als Zusammenschluss von Berufs- und Fachverbänden aus dem Bereich Psychotherapie und Beratung setzt sich verfahrens- und methodenübergreifend für ethische Standards im Bereich der Psychotherapie und psychosozialen Beratung und für die Verabschiedung von Ethikleitlinien in den Satzungen der beteiligten Verbände ein. Das Verbändetreffen bietet ein Forum zur Diskussion zahlreicher Probleme, die sich naturgemäß bei der Anwendung ethischer Grundsätze und beim Umgang mit konkreten Beschwerdefällen und förmlichen Verfahren ergeben. Außerdem unterstützen die beteiligten Berufsverbände ethische Foren innerhalb der Verbände und Fortbildungen zu ethischen Fragestellungen auch außerhalb der jeweiligen Verbände.

Weiter bieten die beteiligten Berufsverbände niederschwellige professionelle Beschwerdemöglichkeiten für betroffene Patienten und tauschen sich über die dokumentierten Beratungsfälle anonymisiert aus. Bedenklich ist jedoch, dass nur etwa 50 % der derzeit arbeitenden Psychotherapeuten überhaupt verbandlich organisiert sind, so dass nur für die Patienten dieser Kollegen eine verbandsinterne Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung steht. Bedenklich ist weiter, dass als „Psychotherapie“ angegebene Behandlungen durch Heilpraktiker entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht unter dem Schutz des § 174c StGB stehen.

Die wachsende Nachfrage an einer unabhängigen, niederschwelligen, kostenlosen und professionellen (ehrenamtlichen) Beratung für Betroffene zeigt deutlich, dass ein hoher Bedarf seitens betroffener Patienten besteht.

Qualitativ wird deutlich, dass Betroffene auf Grund ihrer Traumatisierung oftmals nicht in der Lage sind, oder nicht allein in der Lage sind, straf- oder berufsrechtliche Schritte einzuleiten, sondern hierzu Hilfe und Unterstützung im Rahmen eines niederschwelligen Beratungsangebots benötigen.

Das Verbändetreffen bittet den Unabhängigen Beauftragten mit allen Landesärztekammern und allen Kammern für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeuten sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Gesundheitsämtern und der Deutschen Krankenhausgesellschaft darauf hinzuwirken, dass dringend tragfähige Beratungsstrukturen geschaffen werden, die für betroffene Patienten unabhängig, niederschwellig, kostenlos und bundesweit zur Verfügung stehen.

Nur mit einem niederschwelligen professionellen Behandlungsangebot, das psychotherapeutische und juristische Kompetenzen vorhält, ist es möglich, die Folgen sexualisierter Gewalt und vergleichbarer Grenzverletzungen soweit zu klären, dass rechtliche Schritte oder präventive Maßnahmen ergriffen werden können. Nur auf dem Hintergrund geeigneter Beratungsstrukturen für betroffene Patienten kann eine sekundäre Prävention gelingen. Die Auswertung solcher Beratungsfälle ermöglicht ferner die Entwicklung primärpräventiver Maßnahmen.

Da die Folgen sexualisierter Gewalt in psychotherapeutischen Behandlungen und psychosozialer Beratung mit denen von Kindesmissbrauch vergleichbar sind - wie im Forschungsgutachten von Fischer, Becker-Fischer et. al. 1995 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Frauen und Gesundheit festgestellt -, bedarf auch dieses Klientel eines besonderen Schutzes. Auch führt sexueller Missbrauch in Psychotherapie und Beratung zu erheblichen gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Beeinträchtigungen – analog zum Phänomen des Kindesmissbrauchs.

Entscheidend für die Einbeziehung dieses Bereiches ist jedoch, dass grenzverletzende Beziehungsmuster sowohl intrafamiliär als auch in anderen nahen Beziehungen weitergegeben werden. Deshalb kann die Frage des sexuellen Kindesmissbrauches nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr zeigt sich eine transgenerationale Weitergabe grenzverletzender Beziehungsmuster einhergehend auch mit einer Rollentransmission vom Opfer zum Täter auf den verschiedenen Ebenen.

Das Verbändetreffen bittet den Unabhängigen Beauftragten, mit den Kammern, dem Gemeinsamen Bundesausschuss - Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Krankenkassen - und der Deutschen Krankenhausgesellschaft darauf hinzuwirken, dass für den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung im ambulanten Bereich zu Beginn der Behandlung neben der gesetzlich vorgeschriebenen mündlichen Aufklärung auch eine schriftliche Patientenaufklärung im Rahmen des Gutachterverfahrens und Genehmigungsverfahrens erfolgen sollte, damit diese von Patienten jederzeit auch in Ruhe nachvollzogen werden kann. Für den stationären Bereich sollte dies mit den Aufnahmeformalitäten gleichfalls auch schriftlich erfolgen. (Siehe dazu die Aufklärungsbroschüre des Bundesministeriums für Familien, Frauen und Gesundheit – unter www.verbaendetreffen.de abrufbar -).

Das Verbändetreffen bittet den Unabhängigen Beauftragten mit allen berufsständischen Kammern darauf hinzuwirken, dass die Bestimmungen zur Abstinenz und Karenz von Psychotherapeuten einheitlich und explizit formuliert werden, um allen Beteiligten eine eindeutige Orientierung zu ermöglichen.

Ethische Fragestellungen sollten in allen Aus- und Weiterbildungen sowie Prüfungsordnungen verbindlich festgeschrieben werden. Sie sollten zwingend nicht nur in Lehrveranstaltungen, sondern gleichfalls in der Selbsterfahrung/Lehrtherapie und in der Supervision behandelt werden.
Einverständnis besteht auch, dass ein erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich einer täterseitigen Prävention vorhanden ist, insbesondere im Vergleich zur opferseitigen Prävention, die jedoch zumindest im Bereich des kindlichen Missbrauchs keine ausreichende Effizienz erreicht. Wünschenswert ist, dass auch Interventions- und Rehabilitationsprogramme für Täter entwickelt und überprüft werden, die dann wiederum auch Eingang in die Primärprävention im Bereich der psychotherapeutischen Ausbildung finden können.

III.       Monitoring

Das Verbändetreffen wird den Unabhängigen Beauftragten mit einer Darstellung der bisherigen Beratungsarbeit über Patientenbeschwerden unterstützen.