Grundwerte

„Frieden – Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit –Teilhabe – Ausgleich – Informationelle Selbstbestimmung!“
Gesellschaftspolitische Grundwerte, für die die DGSF eintritt

Präambel

Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) hat im Jahre 2013 beschlossen, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren bei Themen, in denen sie eine eigene Kompetenz besitzt und von denen die DGSF-Mitglieder und/oder deren Klient*innen betroffen sind.

Mit den hier benannten sieben Grundwerten versucht die DGSF, Maßstäbe für die gesellschaftspolitische Richtungsbestimmung, für die Bewertung gesellschaftlicher Prozesse und für das eigene Handeln als Verband zu entwickeln. Solche gesellschaftspolitischen Bewertungsmaßstäbe bedürfen einer Diskussion. Sie können – da über Beratung und Therapie hinausgehend – nicht allein aus den bekannten systemtherapeutischen/beraterischen Grundhaltungen (wie Zirkularität, Allparteilichkeit, Ressourcenorientierung, Wertschätzung jeder Selbstorganisation) und/oder aus den klient*innenbezogenen Ethikgrundsätzen der DGSF(1) gewonnen werden.

Die DGSF setzt sich in ihrem gesellschaftspolitischen Engagement für die Realisierung der sieben Grundwerte „Frieden und Gewaltfreiheit – Freiheit – Gleichheit und soziale Gerechtigkeit – Geschwisterlichkeit und Solidarität – Teilhabe und Mitbestimmung – Ausgleich/‚Öko-systemische Balance‘ – Informationelle Selbstbestimmung im Zeitalter von ‚Big Data‘“ ein. Diese sieben Grundwerte entstammen unterschiedlichen Traditionen.

Der Grundwert Frieden, verstanden als eine Entscheidung für Gewaltlosigkeit/Gewaltfreiheit, hat seinen Ursprung in pazifistischen Traditionen. In der Charta der Vereinten Nationen von 1945 werden „Frieden und Sicherheit“ als Grundlage der zwischenmenschlichen Existenz und Entfaltung gesehen.

Die Grundwerte „Freiheit – Gleichheit und soziale Gerechtigkeit – Geschwisterlichkeit und Solidarität“ entstammen der Tradition der bürgerlichen Aufklärung, prominent formuliert in der Losung der Französischen Revolution 1789. Sie liegen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 zugrunde und lassen sich aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 ableiten, in dem das Sozialstaatsgebot ausformuliert ist: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

Die Grundwerte „Teilhabe und Mitbestimmung“ und Ausgleich/„Öko-systemische Balance“ entstammen demokratischen und ökologischen Denkansätzen des 20. Jahrhunderts.

Die „Informationelle Selbstbestimmung“ ist ein Grundrecht jüngeren Datums, das aus Artikel 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union abgeleitet ist.

Wir sind uns dabei bewusst,

  • dass diese Grundwerte sich überlappen und zueinander nicht trennscharf sind, und
  • dass keiner dieser Grundwerte verabsolutiert werden kann.

Unser Verständnis der sieben Grundwerte

Frieden und Gewaltfreiheit

Sicherheit und Frieden sind ein Grundbedürfnis und ein humanes Grundrecht. Gewalt greift die individuelle, soziale und nationale Identität und Integrität der Menschen an.

Eine „Kultur des Friedens“ entsteht nicht allein durch die Abwesenheit von persönlicher, struktureller und militärischer Gewalt – es bedarf vielmehr positiver, dynamischer und partizipatorischer Prozesse, in deren Rahmen die Fähigkeit und Bereitschaft zum Dialog gefördert und Konflikte im Geist eines gegenseitigen Vertrauens und Verständnisses und einer konstruktiven Zusammenarbeit gelöst werden. Dafür braucht es in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in Erziehung, Bildung, Medien, Kunst, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft die Stärkung von Werten und Kompetenzen der Gewaltfreiheit. Diese „Logik des Friedens“ kann nicht nur auf rationalen Regelungen aufbauen, sondern wird durch die Bereitschaft für zwischenmenschliches Verständnis und Respekt dem Anderen und Fremden gegenüber getragen.

Freiheit

Freiheit lässt sich mithilfe der Begriffe Selbstbestimmung und Eigenständigkeit umschreiben. Freie Individuen besitzen die Möglichkeit, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und ihr Leben grundsätzlich ohne Zwänge zu gestalten. Freiheit findet ihre Grenzen in den Rechten aller anderen Menschen(2). Ihr entsprechen moderne Forderungen nach Respekt vor Autonomie, Selbstorganisation/Autopoiese, Selbstkontrolle, „Self-Ownership“, Recht auf Unterschiedlichkeit („Diversity“). Freiheit wirkt bevormundender Kontrolle entgegen, bezieht aber auch ein mögliches Scheitern ein. Individuen wird Verantwortung für ihr Handeln zugleich ermöglicht und abverlangt. Das Freiheitspostulat erfordert zudem die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen, d. h. eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und damit einhergehend die Umsetzung von „Verwirklichungschancen“.

Gleichheit und soziale Gerechtigkeit

Gleichheit hängt eng mit Gerechtigkeit, d. h. der möglichst weitgehend gleichen Verteilung von materiellen und/oder ideellen Gütern, zusammen.

Gleichheit heißt einerseits Gleichheit der Rechte, Gleichheit vor dem Gesetz („Gleichberechtigung“), andererseits auch Gleichheit der Chancen, Gleichheit in der Realität („gleicher Zugang zu Ressourcen“, u. a. zu Nahrung, Behausung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Kultur). Ihr entsprechen moderne Forderungen wie Verteilungsgerechtigkeit, Chancengerechtigkeit (= Chancengleichheit), Zugangsgerechtigkeit, Verfahrensgerechtigkeit. Größtmögliche soziale Gerechtigkeit ermöglicht den Schwächeren einer Gesellschaft in Freiheit leben zu können und wirkt gespaltenen Gesellschaften entgegen.

Gleichheit darf nicht zur „Gleichmacherei“ von Lebensstilen und nicht zur Behinderung individueller Initiativen und Dynamiken führen.

Geschwisterlichkeit und Solidarität

Geschwisterlichkeit meint gegenseitige Unterstützung und füreinander einzustehen. Ihr entsprechen moderne Forderungen nach sozialer Unterstützung, Solidarität, Zugehörigkeit, Fürsorge, Inklusion. Geschwisterlichkeit/Solidarität darf nicht zu Bevormundung und übermäßiger sozialer Kontrolle führen.

Der Grundwert Geschwisterlichkeit/Solidarität weist eine große Schnittmenge zum Grundwert Teilhabe und Mitbestimmung auf.

Teilhabe und Mitbestimmung

Teilhabe bedeutet, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, am Gemeinschaftsleben einer Gesellschaft und deren Teilsystemen teilzunehmen („Inklusion“) und dieses Gemeinschaftsleben in den Grenzen ihrer Interessen und Fähigkeiten mitzugestalten und mitzuentscheiden („Partizipation“). Teilhabe für möglichst viele setzt transparente Informationsflüsse voraus.

Teilhabe als Inklusion wirkt Tendenzen zu sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen entgegen. Teilhabe als Partizipation wirkt oligarchischen und diktatorischen Tendenzen entgegen.

Ausgleich/„Öko-systemische Balance“

Ausgleich steht dafür, das einseitige Wachstum einzelner Variablen (Werte, Tendenzen, Ziele) zulasten anderer zu begrenzen, menschliche Bedürfnisse nicht unbegrenzt zulasten der Natur zu befriedigen, mögliche negative Nebenwirkungen von gutgemeinten Interventionen zu bedenken und zu begrenzen, fehlerfreundlich zu intervenieren.

Der Forderung nach Ausgleich entsprechen moderne Forderungen nach Nachhaltigkeit und ökologischer Verträglichkeit. Ausgleich – als Fachterminus „Öko-systemische Balance“ – schafft Rahmenbedingungen, in denen Frieden und Gewaltfreiheit, Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, Geschwisterlichkeit und Solidarität, Teilhabe und Mitbestimmung leichter möglich werden. Ausgleich darf nicht zur Lähmung (von Initiativen) führen.

Informationelle Selbstbestimmung im Zeitalter von „Big Data“

Es gibt ein Grundrecht auf Datenschutz. Durch die globale elektronische Entwicklung, die zunehmende Kommerzialisierung aller Lebensbereiche und die mangelnde Umsetzung des Datenschutzes ist der/die Bürger*in nicht mehr in der Lage, selbst darüber zu bestimmen. Die Auswirkungen auf und Gefahren für das demokratische Gemeinwesen sind immens, neue Formen von Manipulation, Diskriminierung und Verlust von Privatsphäre entstehen. Dies ist eine Dimension von struktureller Gewalt und erfordert eine weitere kritische Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung.

Die gesellschaftspolitischen Grundwerte der DGSF finden Sie hier als pdf-Dokument.


(1) Siehe Ethik-Richtlinien der DGSF: u. a. Grundhaltungen, Verbot von Diskriminierung, Ausbeutung und Ausnutzung

(2) Vgl. Artikel 2 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“