Interview mit Katja Wrobel

Kerstin Dittrich, DGSF-Fachrererentin für Gesundheitspolitik, hat Katja Wrobel gefragt, warum sie sich trotz der bestehenden Hindernisse für eine Systemische Approbationsausbildung entschieden hat, wie sie ihre Ausbildungszeit erlebt hat und was sie nun vorhat.

Nach bestandener Prüfung: Katja Wrobel, Institutsleiter Andras Wienands und Astrid von Chamier (v.l.n.r.)


Nach bestandener Prüfung: Katja Wrobel, Institutsleiter am GST-Berlin Andras Wienands und Astrid von Chamier (v.l.n.r.)

Kerstin Dittrich
Warum hast Du Dich für die Systemische Approbationsausbildung entschieden?

Katja Wrobel
Über Mediation, Coaching und prozessorientierte Seminare bin ich in Kontakt mit der Systemik gekommen, die meiner Haltung nach einer klientenzentrierten, ressourcenorientierter Begleitung auf Augenhöhe am nächsten steht. Die stetige Reflexion der individuellen und kontextuellen Bedingungen und die Ideen, Möglichkeitsräume über sehr kreative, erlebensfokussierte Methoden zu erweitern, spricht mich an. In den klassischen VT- sowie TP-/PA- Konzepten habe ich mich nicht wiedergefunden. Auch die Ausbildungszeit und –bedingungen der Richtlinienverfahren hätte ich mir mit meist unbezahlter PiA-Zeit und mehrjährigen Ambulanzstunden als damalige Alleinverdienerin für meine Kleinfamilie nicht leisten können. Somit habe mich zur Weiterbildung Systemische*r Berater*in/Therapeut*in- bei der GST Berlin angemeldet und den Wunsch, als Psychotherapeutin tätig zu werden (vorerst) verworfen. Als der erste PP-Ausbildungsgang bei der GST in den Startlöchern stand, fragte ich mich, wie verrückt wäre es, den Psychotherapie-Weg nun doch gehen zu können. Lohnt sich das? Ist es sinnvoll, auch wenn die sozialrechtliche Anerkennung vielleicht nicht umgesetzt wird?

Ich mag neue Herausforderungen. Der Gedanke, systemisches Wissen mit klinisch-psychiatrischer Erfahrung unabhängig von einer sozialrechtlichen Anerkennung fundiert zu verbinden, faszinierte mich. Im Weiterbildungsgesetz gab/gibt es Ausgestaltungsmöglichkeiten, die es mir erlaubten, z. B. Fallstunden im regulären klinischen Anstellungsverhältnis in einem überschaubaren Zeitraum zu absolvieren. Die früher unmögliche Idee, psychotherapeutisch tätig zu werden, schien plötzlich realisierbar.Ich entschied mich, für besser bezahlte PiA-Stellen aus Potsdam/Berlin in eine kleine Rehastadt zu ziehen. Dies ermöglichte die finanzielle Existenzsicherung auch während der Ausbildungszeit. So konnte ich die Herzensentscheidung treffen und die Approbationsausbildung aufnehmen.

Kerstin Dittrich
Wie war die Ausbildung? Gab es Besonderheiten oder Schwierigkeiten während der Ausbildung?

Katja Wrobel
Ich liebe die bunten, praxisbezogenen Seminare in der GST mit hohen Selbsterfahrungsanteil und fühlte mich in den Supervisionen gut aufgehoben. Für meine Arbeit im Rehabilitations- und Psychiatriekontext bekam ich  vielfältige Ideen. Gerade die ressourcenorientierten, kurzfristigen Interventionen sind im klinischen Alltag mit kaum zu beeinflussenden Größen sehr hilfreich, um auf die immer neuen Patient*innen und schnell wechselnden Herausforderungen reagieren zu können.

Zurückgeworfen wurde ich, als es Probleme mit der Weiterbildungsermächtigung meiner ersten Rehaklinik gab. Meine Klinik hatte eine gleichwertige PT1-Weiterbildungsermächtigung für Hessen und einige andere Bundesländer. Diese Anerkennung war der Grund, meine Anstellung in dieser Klinik aufzunehmen und Herkunftsfamilie und Freunde in meiner Heimat zurückzulassen. Doch diese gleichwertig Weiterbildungs-ermächtigung wurde vom Berliner Prüfungsamt nicht akzeptiert. Die Widerspruchsbearbeitung verzögerte sich mehrere Monate, ein rechtliches Vorgehen hätte weiteren Zeitverlust bedeutet. Ich war sehr frustriert von der Entscheidungshoheit der einzelnen Landesprüfungsämter. Denn diese Individualentscheidungen wirken sich nicht nur auf mich, sondern auch auf die Zukunftspläne und existenzielle Fragen meiner Familie nachhaltig aus. Die Idee der Sachbearbeiterin „dann ziehen sie doch wieder nach Berlin, hier gibt es genug [schlecht bezahlte] PiA-Stellen“, war für mich in meiner familiären Situation nicht umsetzbar. Anfangs überlegte ich, die Ausbildung abzubrechen. Doch mit Distanz, Durchatmen, Geduld und Veränderungswillen finden sich gewöhnlich Lösungen. Ich entschied, zweimalig Kliniken zu wechseln, bis ich eine Anstellung mit „richtiger“ PT1-Weiterbildungsermächtigung in der Nähe fand. So wiederholte ich die PT1-Zeit und war glücklich, an meiner jetzigen Arbeitsstelle genügend Patient*innen stationär und ambulant behandeln zu können, um auch die Behandlungsstunden zu absolvieren.

Aufwendig waren auch das Pendeln neben der Vollzeittätigeit und die Organisation der Supervisionseinheiten; zu viele Faktoren mussten vereinbart werden. Da es in Deutschland bisher keine weiteren systemisch-zugelassenen Supervisor*innen gab, pendelten wir Nicht-Berliner*innen zu „unseren“ Berliner Supervisor*innen. Einige Supervisor*innen gaben wirklich ihr Bestes, uns zeitlich flexibel Unterstützung anzubieten.

Kerstin Dittrich
Auf welche Resonanz bist Du als Systemikerin in den Kliniken gestoßen?

Katja Wrobel
Die Erwähnung „Systemische Approbation“ führte oft zu Fragezeichen in den Augen anderer. Ich erlebte es mehrmals, dass zwischen den Kreativtherapeut*innen und mir ein leichterer Austausch bezüglich des therapeutischen Vorgehens gelang im Vergleich zu Gesprächen mit „klassischen“ PiAs oder psychosomatischen/psychiatrischen Fachärzt*innen. Die Idee, durch die Brille der Betroffenen zu schauen oder mich als Therapeutin authentisch zu zeigen, wurde mir beispielsweise als „zu nah“/ „zu wenig distanziert“ zurückgemeldet. Zeitweise gab es Verwirrungen, wenn ich Diagnosekonzepte bezüglich einer sog. Persönlichkeitsstörung in Frage stellte, Krisen unaufgeregt als „Ehrenrunden des Symptomes“ sah, Begriffe wie Widerstand oder sekundären Krankheitsgewinn umdeutete und als Diagnostikum einbezog, die Behandlung aus einem Symptom- und Bedürfnisverständnis der Pat*innen entwickelte anstelle mich an den Eingangsdiagnosen zu orientieren, direktive Interventionen oder paternalisierende Interpretationen hinterfragte. Wichtig war und ist es mir gewesen, immer wieder mit den Kolleg*innen in Austausch zu kommen und mein therapeutisches Verständnis dabei als professionelle Haltung zu vermitteln, wobei ich gleichzeitig bisherige etablierte Sichtweisen in Frage stell(t)e.

In der Kinder- und Jugendhilfe oder Suchttherapie haben systemische Konzepte längst ihren Platz gefunden.     In meiner Wahrnehmung haben im Klinikalltag der Erwachsenenpsychotherapie die sozialrechtlich anerkannten psychotherapeutischen Hauptströmungen noch immer viel Gewicht, mit Ausnahmen einiger Spezialkliniken.  Ich wünsche mir eine schulenübergreifende Offenheit in der multiprofessionellen Arbeit, in der auch systemische Ideen mehr Raum finden.

Kerstin Dittrich
Was hast Du jetzt, nach der Approbation, beruflich vor?

Katja Wrobel
Eigentlich wollte ich die Füße hochlegen und Sommer und Sonne mit meiner Familie und unserem Hund genießen. Jedoch locken schon jetzt neue Ideen. Ich möchte mich mit körpertherapeutischen und traumabezogenen Konzepten (z. B. Somatic Experiencing) auseinander setzen und überlege, mich in neuen Arbeitsbereichen auszuprobieren. Mein Ziel ist es, Systemische Psychotherapie mit körperbezogenen und diversitysensitiven Ansätzen zu verbinden, um Menschen unabhängig von bestehenden intrapsychischen, familiären oder gesellschaftlich-strukturellen Hürden bei ihrem inneren Wachstum zu unterstützen.
Langfristig suche ich Gleichgesinnte, um zusammen integrative psychotherapeutische Konzepte umzusetzen, Projekte zu starten oder im klinischen Setting auf Leitungsebene die Systemische Haltung stärker zu verankern. Ich habe Interesse, in universitäteren Lehrveranstaltungen oder in Weiterbildungskontexten Student*innen oder PiAs auszubilden. Und wenn noch Zeit bleibt, schau ich gerne in Gremien z. B. bei der DGSF vorbei... und lege zwischendrin mal die Füße in der Sonne hoch.



Katja Wrobel
Dipl.- Psychologin, Systemische Psychotherapeutin , Systemische Therapeutin (DGSF), Systemische Kinder- & Jugendtherapeutin (DGSF), Heilpraktikerin für Psychotherapie , Trainerin Social Justice & Diversity, Coachin & Mediatorin.

Kontakt
E-Mail: kwrobel80|at|gmail.com                             
Internet: www.verbindungen-auf-augenhoehe.de

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