Verbandsentwicklung der DGSF

Am 4.10.2021 fand im Rahmen eines Online-Fachgruppenmeetings eine spannende Diskussion rund um das Thema Verbandsentwicklung statt. Ausgangspunkt dafür: Eine neuere Veröffentlichung von Jochen Schweitzer, Wilhelm Rotthaus und Björn Enno Hermans – alle drei einmal Vorsitzende der DGSF – mit dem Titel „Das Ganze Systemische Feld“, wie im Buch festgestellt wird, eine Neubesetzung des Akronyms DGSF.

Wir hatten Tom Levold als „ortskundigen Mitdiskutanten“ und in Verbandsfragen hocherfahrenen Kollegen eingeladen, um mit ihm auszuloten, welche Nutzenerwartungen seiner Mitglieder ein systemischer Verband bedienen muss, damit Mitglieder sich intern wie extern in dem Bewusstsein engagieren, irgendwie dem „richtigen Laden“ anzugehören und sich nahe dem Identitätskern des Verbandes wiederzufinden. Die meisten Mitdiskutant:innen an dem Abend konnten ihre Selbstverortung in der DGSF aus eigenem Erleben gut beschreiben, die benannten Gründe und Motivationen für die Mitgliedschaft und die Nutzenerwartungen waren erwartungsgemäß unterschiedlich und finden sich sowohl im freundschaftlich kollegialen Austausch und den Möglichkeiten der Intervision und Fortbildung wie als auch der Möglichkeit zu Diskursen eher grundsätzlicher Art.

In der Frage, ob ein systemischer Fachverband zugleich auch berufspolitischen Gesichtspunkten nachgehen und ebensolche Interessen transportieren könne, und ob dies überhaupt wünschenswert sei, fielen die Positionen erwartungsgemäß auseinander. Als Fachgruppe treibt uns an, dem Systemischen in der Arbeitswelt eine deutlichere Stimme zu geben – und ist das dann schon berufspolitisches Engagement? Da fällt eine klare Grenzziehung schwer. Am Beispiel des Engagements für die berufspolitische Anerkennung der Systemischen Therapie wurde deutlich, dass allein die Sorge um befürchtete schädliche Auswirkungen etwa gesellschaftspolitischen Engagements oder das Vertreten von im Zweifel einer Mehrheit als abwegig erscheinenden Positionen innerverbandlich disziplinierende Auswirkungen haben kann. Allgemein geschätzt wird hingegen die Offenheit des Verbandes für transdisziplinäres Denken, dass schon durch die Vielzahl der Professionen befördert wird, die die Mitglieder der DGSF einbringen. Mehrere Teilnehmende bezogen sich auch auf ein  statement von Tom Levold, im Zentrum entstehe in der Regel wenig Neues, an den Rändern hingegen schon. Wenn denn alles (denk-)möglich ist, droht dann nicht der hohe Preis, ein „Wohlfühlbetrieb“ zu sein, der nach außen wenig ausrichtet?

Den Verband als ein Instrumen anzusehent, das etwa über Ausbildungs- und Ethikrichtlinien Standards für gutes systemisches Arbeiten in Theorie und Praxis setzen zu können und damit den Diskurs um Qualität wachzuhalten, führt aber unweigerlich auch zur Frage nach dem Verhältnis von Interesse und Macht(verteilung) innerhalb der verbandichen Strukturen. Was erscheint leichter und welche Positionen sind schwerer durchsetzbar, insbesondere dann, wenn ökonomische Interessen mitschwingen.

Tom Levold wies auf die nötige Gleichzeitigkeit von Öffnungs- und Schliessungsprozessen hin (Brokerage und Closure): Struktur und Kreativität sind als Aushandlungsprozesse zu verstehen. Zur Frage, was gutes professionelles Handeln ist, schlägt er vor, den Nutzen der Professionalität sichtbar werden zu lassen und dabei die professionelle Frage weniger als machtpolitisches Instrument zu verstehen.
Um der Unterscheidung in Berufsverband oder Fachverband eine Dimension hinzuzufügen, bot Tom Levold das Konzept "Professionelle Performanz" an. Vielleicht wäre das ein ergiebiger Fokus oder eine Aufgabe auch der Fachgruppe, professionelle Handlungen und Anwendungen zu beschreiben.

Die Diskussion ist natürlich längst nicht zuende geführt, aber Tom Levold gebührt der Dank der Fachgruppe dafür, die Diskussion mit seinen klugen und kenntnisreichen Beiträgen inspiriert, angeregt und bereichert zu haben.