DGfB-Fachkonferenz „BeraterInnen ... Kompetenz und mehr?“

Beratungskompetenz im Spannungsfeld zwischen Anforderungs- und Subjektorientierung

Neugier und Interesse prägten die Stimmung im Rahmen der DGfB-Fachkonferenz „BeraterInnen ... Kompetenz und mehr?“, zu der sich rund achtzig Teilnehmende am 20. November 2015 an der Universität Köln versammelten. Das anspruchsvolle und durch hochkarätige ReferentInnen gestaltete Programm, welches die Deutsche Gesellschaft für Beratung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsbereich Beratungsforschung der Humanwissenschaftlichen Fakultät zusammengestellt hatte, versprach vielfältige Perspektiven in Sachen Kompetenzbilanzierung und Beratungshaltung, sowie Antworten auf die Frage „Wie lassen sich Beratungskompetenzen erfassen und bewerten?“.

 „Identifikation und Bewertung von Beratungskompetenzen auf Basis des Kompetenzprofils“

Den Tagesauftakt lieferte Dr. Christiane Schiersmann, Professorin für Weiterbildung und Beratung am Institut für Bildungswissenschaft (IBW) der Universität Heidelberg, sowie stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Forums Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung e.V. (nfb). In ihrem Vortrag „Identifikation und Bewertung von Beratungskompetenzen auf Basis des Kompetenzprofils“ referierte Prof. Schiersmann anschaulich Hintergründe und Details des Projekts „Beratungsqualität“, der sie eine sachliche Diskussion von Reflexion als zentralem Element von Kompetenzerfassung anschloß. Weiterhin betonte sie den Nutzen des Kompetenzprofils für beispielsweise die Professionalisierung der Beratungsbranche. So profitierten nach Schiersman sowohl Beratende, Weiterbildungseinrichtungen und auch Klientel von einem klaren Kompetenzprofil und dem sich daraus ergebenden Referenzrahmen. Zusammenfassend warb Christiane Schiersmann enthusiastisch um Unterstützung für die Fortführung des Projekts und die weitergehende Sicherung von Beratungsstandards.

Einblicke in die „Beratungskompetenz für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen“

Den weiteren Vormittag gestalteten Dr. Barbara Weißbach, Dipl.-Pädagogin und Geschäftsführerin des IUK Instituts in Dortmund, sowie Direktorin von NBCC International Germany, und Prof. Dr. Hans-Jürgen Weißbach, Dipl.-Soziologe und Professor am Fachbereich Wirtschaft und Recht der Frankfurt University of Applied Sciences. Das Ehepaar lieferte spannende wie unterhaltsame Einblicke in die „Beratungskompetenz für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen“. Insbesondere betonten sie den Bedarf an kompetenten Beratenden als Quereinsteiger, um die Integration der Geflüchteten überhaupt bewältigen zu können. Sie illustrierten ihr Anliegen mit Einblicken in die praktischen Aspekte und Herausforderungen von beispielsweise Arbeitsmarktintegration und Kompetenzerfassung geflüchteter Menschen, und sie plädierten hierbei für einen zielgruppenspezifischen Ansatz, bei dem etwa Beziehungsaufbau, intensiver Dialog in Form von Gespräch, Feedback, Reality Check und Arbeitserprobung, sowie die hohe Sensibilität für Menschen in besonderen Lebenssituationen und fundiertes Kontextwissen beziehungsweise Länderkunde zentrale Rollen in der beraterischen Kompetenzpalette einnehmen sollten.

Zur Abrundung des Vormittags hielt das Reflecting Team unter der Leitung von Prof. Dr. Renate Zwicker-Pelzer, Leiterin des Studiengangs Master of Counseling, Ehe-Familien-Lebensberatung an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westphalen in Köln und Vorstandsmitglied der DGSF, zusammenfassend fest, wie sehr die Dynamik der Vermittlung beraterischer Kompetenzen zwischen Subjekt- und Anforderungsorientierung oszilliere. Sie stelle damit einen iterativen Prozess dar, in dem die Praxiserprobung eine zentrale Rolle spiele um herauszufinden, welche Formen der Kompetenzvermittlung funktionierten und wie man sie einsetzen könne.

 „Was ist die „Haltung“ reflexiver Beratung und wie könnten entsprechende Kompetenzen aussehen?“

Am Nachmittag knüpfte Prof. (em.) Dr. Hans-Jürgen Seel, Dipl.-Psychologe, Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Beratung e.V. (DGfB), sowie ehemals Lehrstuhlinhaber an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Technischen Hochschule Nürnberg, an mit der Frage „Was ist die „Haltung“ reflexiver Beratung und wie könnten entsprechende Kompetenzen aussehen?“. Hierbei betonte Seel, Haltung selbst sei keine Kompetenz an sich, sondern „eine dauerhaft zu gestaltende Qualität der Begegnung zum Anderen“ – und somit immer vorhanden. Haltung an sich, so Seel, sei also stets als eine Intervention aufzufassen, die beim Gegenüber etwas bewirken solle, womit die Notwendigkeit der diesbezüglichen Reflexiven Kompetenz auf Seiten der Beratenden, insbesondere etwa die Berücksichtigung von Beratungssetting (Institution, Team, Kolleg_innen, etc.), persönlichen Werthaltungen und Sozialisiationsfaktoren der an der Beratung Beteiligten, sowie die kommunikative Gestaltung des Beratungsprozesses offensichtlich würde. Abschließend plädierte Prof. Dr. Seel schließlich für eine intuitive, ganzheitliche und bildliche (statt analytische) „Beratungsästhetik“.

 „Wie verstecken (oder zeigen) sich Haltungen in Interventionen und wie können wir diese erforschen, lehren, lernen?“

Den Schlusspunkt des Programms setzte Dr. Dirk Rohr, Akademischer Direktor, Fakultätsgeschäftsführer der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, und Leiter des Arbeitsbereichs Beratungsforschung, mit der Diskussion der Frage „Wie verstecken (oder zeigen) sich Haltungen in Interventionen und wie können wir diese erforschen, lehren, lernen?“. Nach einem unterhaltsamen Exkurs über unter anderem Michel Foucault und Arist von Schlippe betont er die künstlerischen Aspekte von Beratung in Abgrenzung etwa zu ihren handwerklichen oder wissenschaftlichen. Schließlich vertieft Dr. Rohr Ludewigs Evaluationskriterien „Nutzen, Schönheit, Respekt“, um zusammenfassend zu der spannenden Perspektive zu kommen, dass wir – da jede Intervention durch verschiedene Haltungen geprägt sein könne – an Stelle der Interventionen die Haltungen in der Beratung erforschen müssten.

Konsequenzen und Folgen für die Professionelle Beratung

Zum Tagesausklang warf das Reflecting Team die Frage nach den Konsequenzen und Folgen auf, die Kompetenzerfassung und -evaluation für die Profession Beratung nach sich ziehen werden, und inwiefern sich die Branche darüber klar sei, ob und auf welche Weise sie sich diesen stellen kann. Die angeregte Diskussion hierüber lieferte zwar keine Antworten, regte jedoch spürbar die Reflexive Kompetenz der KonferenzbesucherInnen an – ein Umstand, den der DGfB-Vorstand zur Verabschiedung nach einem gelungenen Tag mit viel Tiefgang dankend aufgriff.

Tagungsbericht: Carsten Hennig, mail|at|carsten-hennig.com