Tagung SYMPAthische Psychiatrie

Grußwort Filip Caby


Aus dem Resumee der Veranstalter:

Die Online Tagung „Zur Zukunft einer SYMPAthischen Psychiatrie“ mit 140 Teilnehmenden aus Deutschland, Schweiz und Großbritannien verlief am 5. Und 6. Februar 2021 inhaltlich wie als Interaktionsprozess sehr erfolgreich. Kompetent und charmant „online-moderiert“ von Maximilian Resch und Jakob Aller vom Mainzer LÖWE-Institut, erwiesen sich die vielfältigen Austauschformate in Zoom als kurzweilig und interaktiv. Zwei Life-Interviews mit Klientenfamilien (der Interviewer Eia Asen in London und Günter Schiepek am Chiemsee, die Familie im Fatz in Neckargemünd) und ein Life-Interview mit dem 91jährigen Sozialpsychiatrie-Pionier Luc Ciompi in Lausanne waren die szenischen Höhepunkte. Neues für die meist systemisch vorgebildeten Tagungsteilnehmer kam besonders vom Hamburger Trialog-Mitbegründer Thomas Bock und der Berliner Psychosen-Therapeutin Dorothea von Haebler. Aus den SYMPA-Kliniken in Wunstorf, Paderborn, Mönchengladbach, Weissenau und Wangen wurden zahlreiche Beispiele guter Praxis vorgestellt.

 

Das Progamm der Tagung:

Zur Zukunft einer SYMPAthischen Psychiatrie
Online Tagung des Helm Stierlin Instituts und des Instituts für medizinische Psychologie Uniklinik Heidelberg, 5. / 6. Februar 2021

Freitag, 5. Februar 2021
9.00 - Einführung in die Ziele, die Formen des Austausches und die technischen Möglichkeiten bei dieser digitalen Tagung (Jochen Schweitzer und Zoom-host)
9.15 - Uhr Begrüßungen
• Beate Ditzen, Direktorin Medizinische Psychologie Heidelberg
• Filip Caby , Vorsitzender der DGSF
• Gunthard Weber, Mitbegründer des SYMPA Projektes

9.30 - 10.15 „50 Jahre systemisch inspirierte Sozialpsychiatrie“.
Luc Ciompi, Belmont-sur-Lausanne, ehem. Direktor der Sozial-Psychiatrischen Universitätsklinik Bern, Gründer von Soteria Bern, Pionier der Sozialpsychiatrie,
im Gespräch mit Markus Haun und Jochen Schweitzer (beide Heidelberg) und den Zuhörern
10.15 - 11.00 „20 Jahre SYMPA“
Liz Nicolai, Heidelberg; Ulrike Borst, Zürich und Konstanz; Jochen Schweitzer, Heidelberg

11.00 - 11.30 - Pause

11.30 - 13.00 - Workshop-Runde 1 : „Gute Praxis in den SYMPA Kliniken“
• Wunstorf (Cornelia Oestereich, Sabine Kirschnick Tänzer)
• Paderborn (Elke Vorbringer, Monika Seewald, Beate Joachimsmeier, Bernward Vieten )
• Weißenau (Hüsniye Bilgic, Sead Harbas,) und Wangen (Hans Knoblauch)
• Mönchengladbach (Stephan Rinckens, NN)

13.00 - 14.30 - Mittagspause

14.30 - 16.00 - Workshop-Runde 2: „Wichtige aktuelle Entwicklungen in der psychiatrischen Versorgung “
• Home-Treatment und Peer-Support: aus dem Trialog geborene Konzepte, die sich gut ergänzen. (Thomas Bock, Hamburg; Ulrike Borst, Zürich/ Konstanz)
• Psychodynamische und andere Psychotherapien bei Psychosen – Einführung und Überblick (Dorothea von Haebler, Berlin)
• SYMPAthische Psychiatrie rund um Demenz und Geistige Behinderung (Beate Joachimsmeier, Paderborn; Meike Wehmeyer, Dachau)
• Wie kann Regionale Verantwortung in der Psychiatrie finanziert und in der Praxis gestaltet werden?“ (Bettina Willms, Querfurt und Leipzig; Nils Greve, Köln)

16.00 - 16.30 - Pause

16.30 - 18.00 Uhr „SYMPAthische Psychiatrie 2020: Herausforderungen, Chancen“.
Panel mit Impulsreferaten von Dorothea von Haebler, Berlin, „Psychosentherapie – heute“ , Thomas Bock, Hamburg; „Betroffene als Akteure“ und Bettina Willms, Querfurt/ Leipzig: „“Wozu brauchen wir in der Psychiatrie Geld? (und wozu vielleicht nicht?)“
Moderation: Ulrike Borst, Zürich/ Konstanz
18.00 Ausklang: Gemütliches audiovisuelles Beisammensein in selbstgewählten kleinen Gruppen

Samstag, 6. Februar 2021
9.00 - 10.30 Workshop-Runde 3 : „Erweiterungen der Möglichkeiten“
• Systemische Psychiatrie in Genf (Katharina Auberjonois) und Bern (Daniel Eichert). Moderation Markus Haun (Heidelberg)
• Potentiale von Multifamilientherapie in der Psychiatrie (Eia Asen, London; Enno Hermans, Essen)
• Familienpsychiatrie und familienorientierte Jugendhilfe: Vernetzung bei Kindern psychisch kranker und suchtkranker Eltern (Rieke Oelkers-Ax, Heidelberg; Birgit Averbeck, Dortmund/ Köln; Filip Caby, Papenburg)
• Sprechen über Medikation und Diagnosen (Nils Greve, Köln; Bernward Vieten, Bielefeld)

10.30 - 11.00 - Pause

11.00-12.30 - Live-Konsultation mit einer Familie und ihren Behandlern
Fallvorstellung: Rieke Oelkers-Ax, Neckargemünd. Interviewer: Eia Asen, London. Reflecting Team: Liz Nicolai, Julika Zwack, (beide Heidelberg), Ulrike Borst (Zürich/ Konstanz). Moderation: Liz Nicolai

12.30 - 14.00 - Mittagspause

14.00 - 15.30 Workshop-Runde 4 : “Wie Krankenhäuser dazulernen (können)”
• Wie Professionsrollen sich mit SYMPA weiterentwickeln lassen (Pflegerische und ärztliche Leitungen aus Paderborn, Mönchengladbach, Weissenau/Wangen im Allgäu und Wunstorf)
• Atmosphärische Intelligenz und Selbst-Organisation in Psycho-Kliniken (Susanne Altmeyer, Köln-Wesseling; Mechthild Reinhard, Siedelsbrunn; Moderation: Jochen Schweitzer, Heidelberg)
• Systemische Trainings in psychiatrischen Kontexten planen und durchführen (Liz Nicolai. Heidelberg; Bernward Vieten, Bielefeld; Sabine Schmitz, Paderborn; Jürgen Armbruster, Stuttgart)
• Wie können wir wissen, was unsere Patienten (wirklich) in der Therapie erleben? Ein Online-Feedback-Life-Interview mit der selben Familie vom Vormittag. (Interviewer: Günter Schiepek (Salzburg) . Diskutanten: Florian Pommerien-Becht (Siedelsbrunn), Rieke Ölkers-Ax (Neckargemünd). Moderation: Markus Haun (Heidelberg)

15.30 - 16.00 Pause

16.00 - 17.00 „SYMPAthische Psychiatrie 2020: Zukunftspläne“
Panel-Diskutanten: Stephan Rinckens, Mönchengladbach; Rieke Oelkers-Ax, Neckargemünd; Katharina Auberjonois, Genf. Moderation: Liz Nicolai, Heidelberg.

17.00 - Tagung-Ende

 

Grußwort von Dr. med. Filip Caby zur SYMPA-Tagung (hsi), Februar 2021

 Anrede

Ich freue mich Sie/euch im Namen der DGSF begrüßen zu dürfen. Mit dieser sympathischen, virtuellen Tagung, dürfen wir auf mehr als 20 Jahre systemische Pionierarbeit innerhalb eines nicht besonders systemischen Systems – das Gesundheitssystem –- zurückblicken. Damit ist das SYMPA-Projekt sogar älter als die DGSF, die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie, die im letzten Jahr 20 geworden ist und Corona-bedingt diesen Geburtstag auf der schönsten Veranstaltung, die nie stattgefunden hat, nicht hat feiern können. Für die Vorbereitungen dazu noch mal ein herzliches Dankeschön nachträglich an das HSI-Orgateam!

Auch wenn man meinen könnte, nun ist es endlich gut mit der systemischen Pionierarbeit, glaube ich, dass es in diesen Zeiten darum gehen könnte, die „Kinder“ dieser Pionierarbeit nicht im Stich zu lassen.

Es ist leider keineswegs selbstverständlich, die sozialrechtliche Anerkennung der Systemischen Therapie – über die wir uns alle sehr gefreut haben und die ein Ergebnis einer langjährigen Geduldsprobe der beteiligten Akteure war – nun auch konkret in jenes System zu integrieren/implementieren, das sie anerkannt hat. Man könnte sogar ahnen, jetzt wird es erst recht schwierig. Metaphorisch könnte man es vielleicht so darstellen, dass wir jetzt einen Berechtigungsschein haben, mitspielen zu dürfen. Es will nur keiner mit uns spielen …

Das bekomme ich im Moment in meiner Doppelrolle als DGSF-Vorsitzender und als Leiter einer inzwischen rezertifizierten systemischen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik sehr deutlich mit.

Das Gesundheitssystem tut sich unheimlich schwer mit uns und scheint uns zeigen zu wollen, dass es „uns“ nicht braucht – man bekommt mit, welche Hürden aufgestellt werden, wenn systemische Psychotherapeuten einen Kassensitz beantragen möchten oder wenn Anfragen bei manchen Ärztekammern nach Anerkennung der Systemischen Therapie innerhalb der Weiterbildungsordnung für Assistenzärzte mit „Jaja, weiß ich, aber gibt’s hier nicht“ beantwortet werden.

Aber auch die DGSF – also wir selber – sind damit beschäftigt „approbiert“ und „nicht-approbiert“ nicht auseinanderdriften zu lassen.

Um in der Metapher zu bleiben: Wir stehen am Spielfeldrand und tun einiges, um auf uns aufmerksam zu machen und um mitmachen zu dürfen. Die auf dem Feld haben aber noch nicht verstanden, was wir zu bieten haben.

Wir dürfen wohl nicht aufhören Pioniere zu sein …

Ich erinnere mich sehr gerne an den Besuch von Liz Nicolai, als wir sie Ende des vorigen Jahrhunderts mit der „Reflexionsliste“ zu uns in die Klinik nach Aschendorf eingeladen hatten. Da waren wir alle jung und beseelt von dem Drive des systemischen Arbeitens. Wir fühlten uns durch die Auswertung in unserem Tun bestätigt, und hochmotiviert weiter zu machen.

Heute sind wir immer noch jung und beseelt und ich frage mich trotzdem, was dabei herauskommen würde, wenn die gleichen 13 Kliniken – ergänzt um einige Kinder- und Jugendpsychiatrien – noch einmal mit der Reflexionsliste „gescreent“ würden. Würden überhaupt alle Kliniken wieder mitmachen (dürfen)?

Hat z. B. ein Chefarztwechsel – davon muss es inzwischen einige gegeben haben – Einfluss auf die systemische Prozessgestaltung? Oder werden systemische Ausrufezeichen wie Familientherapien nicht mehr als exklusiv systemisch-zirkulär betrachtet, sondern für selbstverständlich gehalten, aber linear umgesetzt? Wie entwickelt sich ein systemischer Geist, wenn wir nicht mehr eine eingeschworene Truppe von dreißig Mitarbeitern, sondern zu einer Riesenmannschaft von 180 Mitarbeitern angewachsen sind?

Nun ist es eine klassische systemische Intervention so tief zu stapeln, dass der Klient/Patient anfängt sein eigenes negatives Selbstbild nach dem Motto „So schlimm ist es nun auch wieder nicht!“ nach oben zu korrigieren.

Mit dieser Tagung verbinde ich die Hoffnung, dass wir erleben werden, dass der systemische Geist immer noch „alive and kicking“ ist und unser systemisches Denken allmählich die Pionierphase verlässt, um sich um Integration und Assoziation zu kümmern. Dann werden wir mit Zuversicht die nächsten 20 Jahre in Angriff nehmen und das gesamte soziale, politische, sozial-, berufs- und gesundheitspolitische Feld mitgestalten.

Ich wünsche uns als Teilnehmern und dem gesamten Orgateam ein schönes Schwelgen in systemischen Inspirationen. Und – ein Vorteil von virtuellen Settings ist – dass wir den „Spirit“ dieser beiden Tage nach der Tagung nicht nach Hause tragen müssen: er wird schon da sein!

Vielen Dank und ein gutes Gelingen allerseits!

Filip Caby