Veröffentlichungen der Fachgruppe

Das DGSF-Wissensportal wurde um einen Artikel von Tanja Kuhnert und Kathrin Stoll ergänzt: "In Würde leben – Lebenswirklichkeiten für Menschen im Hartz IV-Bezug" aus Kontext 45,4.

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Positionspapier „Hartz IV aus systemischer Sicht“

Einführung: Anlass, Inhalt und Zielsetzung dieses Positionspapiers

Zahlreiche Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e. V.) arbeiten professionell mit Klientinnen und Klienten, die zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf Hartz IV angewiesen sind. Sie sind ZeugInnen der Auswirkungen der Hartz IV-Gesetzgebung und sehen sich als systemisch Arbeitende in der Verantwortung, auf diese hinzuweisen und Veränderungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die "AG Gesellschaftspolitik" und die "Fachgruppe Armut und System" will diese Themen in die gesellschaftspolitische Diskussion einbringen.

Die gesellschaftliche Atmosphäre, die Schere zwischen Arm und Reich, die Situation der Erwerbstätigen und Erwerbslosen und das Verständnis von einer (Sozial-) Staatliche Gemeinschaft haben sich massiv gewandelt. Der Armutsforscher Christoph Butterwege spricht in seinem Buch „Hartz IV und die Folgen – Auf dem Weg in eine andere Republik?“ davon, dass „Hartz IV als tiefste Zäsur der Wohlfahrts-Staatentwicklung nach 1945 gilt“ und beschreibt, wie das Armutsrisiko, prekäre Beschäftigung und der Verlust von Erwerbstätigkeit in den letzten zehn Jahren gestiegen sind. Der Verlust von Erwerbsarbeit und die Angst „HartzerIn“ zu werden, ziehen wie ein Schreckgespenst durchs Land. Es ist eine Steigerung der psychischen Belastungen einzelner Menschen, Familien und auch innerhalb von Unternehmen zu erkennen und zu spüren.

Die Gesetzgebung und die Handhabung von „Hartz IV“ beruht auf der grundsätzlichen Annahme, dass es Arbeit für Alle gibt und somit jeder, der sich anstrengt, auch Arbeit finden kann. Fordern (und Fördern) ist zur Handlungs-grundlage der Arbeitsagentur geworden. Aufgrund der ökonomischen Entwicklung globalisierter Unternehmen und fortschreitender Automatisierung ist es fraglich, ob es Erwerbsarbeit für alle gibt. Dies macht das um die „Hartz-Gesetze“ entstandene System unserer Meinung nach zynisch.

Wir möchten im Folgenden zunächst die in unserer Arbeit beobachteten psychosozialen Auswirkungen von Hartz IV aus systemischer Sicht beschreiben:

  • Was passiert beim Eintritt in die Behörde?
  • Welchen Einfluss hat dies auf das direkte soziale Umfeld der Leistungsbeantragenden?
  • Mit welchen Vorurteilen müssen ALG II-BezieherInnen leben?
  • Was bedeutet der Grundsatz „Fordern und Fördern“ in Bezug auf Erwerbsarbeit?

Wir wollen darüber hinaus aber auch konkrete Veränderungsvorschläge für die Arbeit der Jobcenter im bestehenden ALG II-System unterbreiten und am Ende einige langfristige Perspektiven menschenwürdiger sozialstaatlicher Unterhaltssicherung aufzeigen – zur Verbesserung der Lebenssituation der LeistungsbezieherInnen und der Gesellschaft im Gesamtgefüge.

Die weiteren Kapitel

  • Teil I: Psychosoziale Auswirkungen von Arbeitslosengeld nach Sozialgesetzbuch II
  • Teil II: Das Jobcenter und seine "Kunden" - wünschenswerte Veränderungen innerhalb des gegenwärtigen Systems
  • Teil III: Perspektiven einer menschenwürdigen sozialen Mindestsicherung

Das vollständige Positionspapier Hartz IV aus systemischer Sicht zum Download